Vor 30 Jahren erste Marienerscheinung in Medjugorje

Etwas Übernatürliches?

Seit 30 Jahren soll es in Medjugorje in Bosnien-Herzegowina Marienerscheinungen geben. Sie sind jedoch bislang weder vom dortigen Bistum noch vom Vatikan anerkannt. Fatima, Lourdes, Medjugorje - Marienerscheinungen gibt es bereits seit frühchristlicher Zeit.

Jahr für Jahr pilgern Hunderttausende Menschen nach Medjugorje (KNA)
Jahr für Jahr pilgern Hunderttausende Menschen nach Medjugorje / ( KNA )

Marienerscheinungen werden seit dem 18. Jahrhundert zu den "Privatoffenbarungen" gezählt. Als solche werfen sie große theologische Probleme auf, da Gottes Offenbarung nach klassischer Lehre mit dem Tod des letzten Apostels an ihr Ende gekommen ist. Das kirchliche Lehramt trennt daher scharf zwischen Offenbarung und Privatoffenbarungen. Letztere können nach katholischer Lehre die ursprüngliche Offenbarung nur in Erinnerung rufen, erklären oder aktualisieren.



Sechs Kinder berichteten 1981, die Gottesmutter habe sich ihnen gezeigt

Ein besonderer Fall ist Medjugorje in Bosnien-Herzegowina. Hier dauern die angeblichen Erscheinungen nach Darstellung der Seher seit dem 24. Juni 1981 bis heute an. Eine offizielles kirchliches Urteil über die angeblichen Marienerscheinungen von Medjugorje ist nach Einschätzung von Kardinal Camillo Ruini gegenwärtig nicht absehbar. Von einem solchen Schritt sei man noch weit entfernt, sagte Ruini Mitte Juni, der die vatikanische Untersuchungskommission für den Wallfahrtsort in Bosnien-Herzegowina leitet. Die aus insgesamt 13 Kardinälen, Bischöfen und Sachverständigen bestehende Kommission war von Papst Benedikt XVI. eingesetzt worden und hatte im März 2010 ihre Arbeit aufgenommen. Im Mittelpunkt der Untersuchungen sollen nach vatikanischen Angaben jedoch nicht die Marienerscheinungen selbst stehen, sondern das geistliche Leben in dem Ort sowie die seelsorgliche Betreuung der Pilger.



In Medjugorje soll seit dem 24. Juni 1981 Maria erscheinen. Sechs Kinder berichteten damals, die Gottesmutter habe sich ihnen gezeigt, während sie Schafe hüteten. Die Erscheinungen dauern nach Angaben der inzwischen erwachsenen Seherinnen und Seher weiter an. Die damalige Jugoslawische Bischofskonferenz äußerte sich 1991 in Leitlinien zurückhaltend zu den Vorgängen. Es stehe nicht fest, dass sie übernatürlicher Natur seien. Offizielle Wallfahrten nach Medjugorje seien daher nicht möglich.



Kompetenzstreit um Pilgerseelsorge

Jedes Jahr pilgern Hunderttausende Menschen nach Medjugorje, unter ihnen viele Kranke und Heilsuchende. Um die Pilgerseelsorge hat es immer wieder Kompetenzstreit zwischen Franziskanern, ehemaligen Franziskanern, charismatischen Gruppen und dem Ortsbischof gegeben. Der Franziskanerorden, der Ortsbischof und der Vatikan haben wiederholt versucht, mit Disziplinarmaßnahmen ordnend einzugreifen.



Katechismus: Es steht jedem Katholiken frei, an Privatoffenbarungen zu glauben

Laut Weltkatechismus steht es jedem Katholiken frei, an Privatoffenbarungen zu glauben oder eben nicht - auch wenn die Kirche sie als gesichert ansieht. Das gilt auch für Lourdes, wo der Schafhirtin Bernadette Soubirous 1858 insgesamt 18 mal die "Unbefleckte Empfängnis" erschienen sein soll.



Kritiker wie der Historiker David Blackbourn sehen in Lourdes eine Art Schema aller nachfolgenden Erscheinungen: eine einfältige Seherin aus dem Volk, geprägt durch Armut, Krankheit, Vernachlässigung und rohe Behandlung durch Eltern und Umwelt; Mitteilung einer frommen Botschaft, Heilwasser und Bau eines Heiligtums (Quelle und Kapelle); Ablehnung durch den Pfarrer und die Zivilbehörden, Berichte von Wunderheilungen und schließlich die Errichtung eines offiziellen kirchlichen Kults.



Maria soll bereits 41 dem heiligen Jakobus erschienen sein

Marienerscheinungen konkurrieren in der Volksfrömmigkeit mit den sogenannten Gnadenbildern, bei denen sich um ein Bild oder eine Statue der Muttergottes eine Wallfahrtsstätte entwickelt. Erste Berichte über Marienerscheinungen lassen sich bis ins frühe Christentum zurückverfolgen. Bereits im Jahr 41 soll Maria dem heiligen Jakobus auf einer Säule erschienen sein, während er in Spanien missioniert habe. Das Mittelalter hindurch blieb der typische Marien-Visionär männlich, erwachsen, zumeist Kleriker.



Ab etwa 1400 setzt sich allmählich das moderne Erscheinungsbild durch: Mädchen aus dem einfachen Volk sind die "Auserwählten", Hirten zumeist, der Ort einsam gelegen in Wald und Flur. Beispiele sind das Alpendorf La Salette 1846, das Pyrenäendorf Lourdes 1858 oder das saarländische Marpingen 1876. Experten sehen die Erscheinungen in zeitlichem Zusammenhang mit wirtschaftlichen und politischen Krisen: Hungersnöten, Cholera, Missernten. Eine Häufung gebe es in den 1860er und 1870er Jahren, im Ersten Weltkrieg oder dem Krisenjahr 1933.



Die wenigsten erlangten die kirchliche Approbation

Ihre Zahl geht europaweit in die Hunderte, mit Spitzen in den katholischen Ländern Italien und Frankreich. Dennoch erlangten nur die wenigsten Erscheinungen - oder vielmehr die darin verkündeten Botschaften, wie der Dogmatiker und Marienforscher Wolfgang Beinert präzisiert - die kirchliche Approbation. In Frankreich waren es La Salette, Lourdes und Pontmain (1871). Mit ihnen wurde die Proklamation des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis von 1854 vorbereitet beziehungsweise besiegelt. Zugleich gelang es den Bischöfen, die regelrechte Marien-Welle allmählich zu kanalisieren - etwa durch die Gründung von Marienkongregationen.



1930 wurden die Visionen von drei Hirtenkindern 1917 im portugiesischen Fatima, das Papst Benedikt XVI. diese Woche besucht, kirchlich anerkannt; bald darauf die belgischen Erscheinungen von Beauraing 1932 und Banneux 1933. Sie alle ähneln dem Ablauf von Lourdes. Seitdem ist keiner weiteren Erscheinung die offizielle Genehmigung zuteilgeworden.  



Ein "deutsches Lourdes" gibt es nach wie vor nicht: Nachdem der Brite Blackbourn 1997 die fast vergessene Geschichte Marpingens aus dem Schatten der Vergangenheit holte und zu einem sozialhistorischen Phänomen der Kulturkampfzeit erklärte, fanden sich 1999 drei neue "Seherinnen". 1876 hatten drei Marpinger Kinder von Marienerscheinungen berichtet und damit binnen einer Woche Zehntausende in den Härtelwald gezogen. Am Ende ließ Reichskanzler Otto von Bismarck das preußische Heer aufmarschieren und den Zugang zum Wald sperren.



1999 kündigte der Trierer Bischof Hermann Josef Spital eine gründliche Prüfung an und verbot, von "Erscheinungen" und "Seherinnen" zu sprechen. Er nannte sie kühl die "Vorgänge im Härtelwald". 2005 erklärte sein damaliger Nachfolger in Trier, Bischof Reinhard Marx, es gebe "schwerwiegende Gründe", die es nicht erlaubten, ein übernatürliches Geschehen anzuerkennen.