Wulff würdigt bürgerschaftliches Engagement in Europa

Brückenbauer gesucht

Bundespräsident Christian Wulff fordert zu mehr bürgerschaftlichem Engagement in ganz Europa auf. Gerade in einem erweiterten Europa würden diejenigen gebraucht, die zwischen den Völkern Brücken bauten, sagte Wulff am Dienstag bei einem Festakt zum "Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit" in Görlitz.

 (DR)

Als Beispiele nannte er ehrenamtliches Engagement bei Jugendbegnungen und Städtepartnerschaften.

Wulff betonte, eine europäische Bürgergesellschaft könne nur entstehen, wenn Solidarität und ehrenamtliches Engagement auch über die Grenzen hinweg spürbar würden. Das Staatsoberhaupt dankte den Frauen und Männern, die sich bereits ehrenamtlich in Verbänden, Initiativen oder Projekten engagieren. Es stimme nicht, dass immer mehr Menschen nur an sich dächten. "Ganz im Gegenteil."



Bürgerschaftliches Engagement soll gestärkt werden

Bei dem Festakt wurden rund 80 Freiwillige aus Deutschland, Polen, Tschechien und Österreich geehrt. Das Europäische Jahr der Freiwilligkeit geht auf einen Beschluss des Europäischen Rates zurück. Ziel ist es, das bürgerschaftliche Engagement zu stärken.



Wulff betonte, die Überwindung der europäischen Teilung sei zu allererst das Verdienst der Bürger. Europa dürfe kein Projekt der Eliten und Technokraten sein. "Wir brauchen Menschen, die selbst anpacken", erklärte der Bundespräsident. Zudem habe eine jüngst veröffentlichte Studie gezeigt, dass Ehrenamtliche eine bis zu 21 Prozent längere Lebenszeit hätten, weil sie oftmals zufriedener und glücklicher seien.



Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) würdigte den Austausch bei Freiwilligendiensten zwischen Sachsen und den Nachbarn in Polen und Tschechien. Der intensive Austausch im Dreiländereck habe dem gemeinsamen Miteinander seit der Wiedervereinigung starke Impulse verliehen. Zugleich kritisierte er, dass noch immer kein Staatsvertrag zwischen Deutschland und Tschechien über Rettungskräfte existiere. Er bezeichnete dies als Beispiel dafür, dass es noch viel zu tun gebe.



Blinde Ehrenamtliche hofft auf mehr Akzeptanz

Tillich erinnerte aber auch daran, dass das Ehrenamt zu DDR-Zeiten nur eingeschränkt unter Aufsicht möglich gewesen sei. An einer Podiumsdiskussion mit dem Ministerpräsidenten nahm auch die Görlitzerin Silke Thomas teil. Stellvertretend für viele Ehrenamtliche berichtete die 38-jährige blinde Frau von ihrer freiwilligen Arbeit an Schulen und in einem Mehrgenerationenhaus.



"Ich leiste dort Aufklärungsarbeit und erkläre das Leben von blinden Menschen", schilderte die Mutter von drei Kindern ihre Aufgabe. Sie und ihr ebenfalls blinder Mann müssten immer wieder gegen Vorurteile und umständliches Behördenhandeln ankämpfen. "Kinder sind da viel offener. Ich hoffe, sie begreifen durch meine Arbeit, dass blinde Eltern mit Kindern auch Normalität sein können und in den Behörden noch viele Barrieren abgebaut werden müssen", sagte sie. Das Ehrenamt gebe ihr in dieser Hinsicht die Möglichkeit, sich zu verwirklichen.