Matthias Matussek zu den Reaktionen auf sein Buch

"Man hat sich auf den Katholizismus eingeschossen"

"Ich bin katholisch und das ist auch gut so" – so lautet einer der zentralen Sätze im Buch "Das katholische Abenteuer. Eine Provokation" von SPIEGEL-Autor Matthias Matussek. Doch so viel Bekenntnisfreude kommt nicht überall gut an. Neben positiven Besprechungen in den Medien gab es kritische Reaktionen in "Christ und Welt" oder dem Magazin "stern". Warum sein Buch so viel Ablehnung, aber auch Zustimmung erfährt, analysiert der langjährige SPIEGEL-Autor im domradio.de-Gespräch.

 (DR)

domradio.de: Sie haben bei uns im domradio vor Pfingsten ihr Buch vorgestellt. Auf dieses Interview hat es deutliche Reaktionen gegeben, sowohl bei den Hörern als auch zum Beispiel bei Tageszeitungen. Wieso provoziert denn ein solches Bekenntnis in unserer Gesellschaft so sehr?

Matussek: Grundsätzlich provoziert ein Bekenntnis immer. Weil  wir in Zeiten leben, die eigentlich denken, ohne Bekenntnis ganz gut auskommen zu können. Gerade in unseren Milieus, in Feuilleton-Milieus sind natürlich Flexibilität und die tänzelnde Ironie gefragt. Auch die Bereitschaft Position zu wechseln. Und wenn da jemand die Hacken eingräbt und ganz naiv sagt, dafür stehe ich, dann ist das schon erst einmal unangenehm. Man möchte nicht so festgelegt werden, und dann kommt noch dazu, dass es sich bei mir um ein katholisches Bekenntnis handelt. Mein Buch handelt auch davon, wie schwierig das ist, heutzutage zu vermitteln, dass der katholische Glaube und die katholische Kirche auch eine sehr freudvolle Angelegenheit sind. Eine prächtige, eine spannende, eine abenteuerliche Angelegenheit, eine Achterbahnfahrt der Gefühle, wie ich das an einer Stelle sage. Es schwankt zwischen Standpauke und Stoßseufzer. Das übrigens hat es mit dem Journalismus, dem Leitartikel-Journalismus ohnehin gemein, auch Leitartikel sind oft Standpauken. Manchmal auch, wenn die betreffenden Politiker unbelehrbar sind, in Form von Stoßseufzern geschrieben. Also da gibt es  eine Verwandtschaft. Also auch insofern ist es eine Provokation. Ich war in einer Talkshow und da brüllte mir einer entgegen, der vorher im Dschungel-Camp saß: Ihr seid doch eine Bande von Kriminellen! Und das Saalpublikum johlte. Man hat sich auf den Katholizismus eingeschossen. Der Katholizismus ist Skandalgeschichte. Wenn man von Katholizismus spricht, will eigentlich jeder immer nur von Sex sprechen und Zölibat und so weiter. Da ist eine enorme Verzerrung. Auch insofern ist mein Buch eine Provokation.



domradio.de: Viele sehen auch ein Widerspruch darin, dass Sie Spiegel-Autor sind und dann so ein Buch schreiben - wie leben Sie denn mit diesem Spagat?

Matussek: Ich habe auch immer wieder gesagt, es stärkt und schärft das Argument, wenn man sich mit Gegnerschaft auseinanderzusetzen hat. Ich will jetzt nicht sagen, dass die Spiegel-Kollegen Gegner sind, aber es ist schon eine Herausforderung. Dieser Spagat ist eigentlich äußerst befruchtend, übrigens auch für den Spiegel. Denn die eigentliche Ursprungsidee hat mir die Chefredaktion gegeben, indem sie mich auf die Titelidee gebracht hat, über die sieben Todsünden schreiben zu lassen. Da habe ich mich sehr reingekniet und habe mir gedacht, Mensch, das könnte man doch erweitern und in dem Buch sind ja auch nicht wenige Artikel, die im Spiegel erschienen sind. Also es ist so, dass im Spiegel durchaus sozusagen eine anregende oder stimulierende Umgebung ist, um auch über Religion und meinen Glauben nachzudenken.



domradio.de: Ihr Buch ist im Spiegel-Verlag erschienen, regelmäßig bringt der Spiegel, sie haben es gesagt, Titelgeschichten zu religiösen Themen, dies tut er natürlich auch kritisch. Vertragen sich Journalismus und persönliches Bekenntnis überhaupt miteinander?

Matussek: Ich glaube schon. Ich glaube, dass ein Journalist, der wirklich an etwas glaubt,  besser schreibt. Ich glaube, dass ich in allen meinen Geschichten den Punkt suche, der für mich wahr ist. Der für mich eine Nähe zum Gegenstand hat und der mich angeht, der mich richtig persönlich angeht, diesen Punkt muss jeder für sich erwischen. Das kann eine Biographie sein, im Moment sitze ich über einer Geschichte über Hemmingway, und der schreibt in dem Buch "Paris, ein Fest fürs Leben" über das Schreiben: "Alles, was Du tun musst, ist einen wahren Satz zu schreiben. Schreibe den wahrsten Satz, den Du weißt." Das ist eine gute Gebrauchsanleitung für jeden Journalisten, der wirklich ernsthaft schreibt.