Seit 25 Jahren Proteste gegen Urananreicherungsanlage

Der lange Atem von Gronau

Atomkraft-Gegner haben für Anfang Juli zu einer Großdemonstration in Gronau aufgerufen. Hier steht seit 25 Jahren die bundesweit einzige Anreichungsanlage für Uran. Und hier demonstrieren genauso lange die Gegner dieser Technik.

Autor/in:
Frank Biermann und Katrin Nordwald
 (DR)

Mit Sorge wartet Udo Buchholz auf die Ankündigung neuer Transporte von der Urananreicherungsanlage in Gronau. Der Soziologe wohnt nur einen Kilometer Luftlinie von der bundesweit einzigen Anlage dieser Art entfernt, die am 12. Juni 1986 - kurz nach der Tschernobyl-Katastrophe - in der westfälischen Stadt an der niederländischen Grenze in Betrieb ging. "Die Urantransporte fahren oft in Konvois direkt vor meiner Haustür an der Kreisstraße vorbei, ohne Polizeischutz, ohne Sicherung, manchmal ein Bus mittendrin", beklagt der Pressereferent des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).



Was nicht über die Straße angeliefert wird, komme über den firmeneigenen Bahnanschluss der Betreiberfirma Urenco auf die Schienen der Deutschen Bahn. Die Transporte, beladen mit radioaktivem Uranhexaflorid, führen meist unbemerkt durch die Bahnhöfe deutscher Städte wie das nahe gelegene Münster. Auch die immer wieder auftretenden Störfälle und die Mitteilung von Urenco, dass bei einem Flugzeugabsturz oder einem Kerosinbrand schwere Schäden für die Bevölkerung nicht ausgeschlossen sind, verunsichere die Menschen in Gronau, sagt Buchholz.



Der jüngste Zwischenfall liegt anderthalb Jahre zurück, als auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage (UAA) geringe Mengen von radioaktiven Stoffen freigesetzt wurden. Ein Mitarbeiter war dabei an Beinen und Füßen kontaminiert worden, laut Staatsanwaltschaft Münster aber nicht lebensbedrohlich. Kurz danach wurde von der Polizei ein maroder Uran-Lkw aus dem Verkehr gezogen. Im März dieses Jahres kündigte der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD) schließlich eine Sicherheitsüberprüfung der UAA an, weil auf dem Gronauer Gelände den Angaben nach unter freiem Himmel mehrere tausend Tonnen abgereichertes Uran und Natur-Uran in Fässern lagern.



Urenco selbst, die in Gronau Brennstoff für Atomkraftwerke in aller Welt herstellen lässt, hält sich mit Stellungnahmen zurück. Nach dem Störfall im Januar 2010 teilte der UAA-Betreiber mit, dass für die Bevölkerung keine Gefahr bestanden habe, und versprach alle Vorkommnisse künftig der Öffentlichkeit mitzuteilen. Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima drückte die Geschäftsführung in einer Pressemitteilung im Internet den Opfern ihr Mitgefühl aus und kündigte an, an der Verbesserung der Sicherheitskonzepte von Atomkraftanlagen mitzuarbeiten.



An jedem ersten Sonntag im Monat ein Sonntagsspaziergang

Buchholz reicht das jedoch nicht. Der 47-Jährige kämpft seit 25 Jahren mit einem "harten Kern" von rund hundert Umweltaktivisten und Landwirten aus Nordrhein-Westfalen und angrenzenden Bundesländern für die Stilllegung der UAA. Da bis heute kein bundesweites Endlager für Atommüll existiere, sei zu befürchten, dass aus dem Gronauer Zwischenlager letztlich ein Endlager wird, meint der Soziologe. Unterstützt wird der Gronauer Protest von Atomkraft-Gegnern aus den Niederlanden, aus Finnland, Großbritannien, Russland und Japan - Länder, in die Urenco angereichertes Uran liefert. Urenco exportiere seit Jahren auch an den Fukushima-Betreiber Tepco, sagt Buchholz.



Neben regelmäßigen größeren Kundgebungen setzen die Gronau Umweltinitiative auf "stoischen Langzeit-Protest". So findet seit 1986 jeden ersten Sonntag im Monat ein "Sonntagsspaziergang" entlang der UAA-Anlage statt. "Davon habe ich etwa 200 bis 250 mitgemacht", sagt Buchholz. Die Gruppe von zehn, mal zwanzig oder dreißig Aktivisten bekomme hin und wieder Ärger mit der Polizei, weil die Spaziergänge nicht als Versammlung angemeldet seien.



Bislang kämpften die Umweltschützer vergeblich: Die Anlage in Gronau kommt im Atomausstiegs-Konzept der Bundesregierung nicht vor. Und Urenco plant den Bau eines neuen Zwischenlagers für Uranoxid, das bis Ende des Jahres auf dem Gronauer Industriegelände entstehen soll.



Hoffen auf Juli

Urenco, an deren Betreiberfirma zu 50 Prozent die Energiekonzerne EO.N und RWE beteiligt sind, habe sich allgemein gut positioniert, sagt Buchholz. Auch in Gronau. Da bekomme mal ein Fußballverein einen Satz Trikots spendiert, die Stadtbücherei eine Spende und auch das bundesweit bekannte Rock- und Popmuseum in Gronau gehe nicht leer aus. "Aber auch wir haben einen langen Atem", gibt sich Buchholz selbstbewusst, der für die unabhängige Grün Alternative Liste (GAL) im Gronauer Stadtrat sitzt.



Neuen Rückenwind verspüren die Aktivisten seit Fukushima. Wenn Buchholz durch die Einkaufsstraße seiner Heimatstadt geht, rufen ihm die sonst eher zurückhaltenden Gronauer zu "Das macht ihr toll". Und zu den diesjährigen Ostermärschen haben sich rund 10.000 Menschen in Gronau versammelt, um gemeinsam gegen Atomkraft zu demonstrieren. "Das war die Krönung, eine Großdemo von dem Ausmaß haben wir hier eigentlich nie hingekriegt", sagt Buchholz stolz. Zum 300. "Sonntagsspaziergang" am 3. Juli an der UAA hofft er wieder auf viele Teilnehmer.