Noch viel Platz beim Freiwilligendienst

Ein paar hundert statt 35.000

Zwei in Hamburg, sieben in Hessen, zehn in Bayern, 14 in Nordrhein-Westfalen und zehn in Niedersachsen: Das sind die Zahlen der jungen Männer und Frauen, die bundesweit bis Ende Mai mit dem Deutschen Caritasverband oder einer katholischen Jugendorganisation einen Vertrag geschlossen haben, um den neuen Bundesfreiwilligendienst anzutreten.

 (DR)

3.300 Plätze haben die katholischen Träger anzubieten, davon 1.900 in Einrichtungen der Caritas und 1.400 bei ihren Jugendverbänden. Knapp einen Monat vor dem offiziellen Start des Bundesfreiwilligendienstes am 1. Juli sieht es nicht danach aus, als gäbe es ein Gedränge unter den Bewerberinnen und Bewerbern. Zwar fängt die Mehrheit der jungen Leute erst im Herbst mit einem freiwilligen Jahr an, wenn sie den Schulabschluss und noch einen letzten Sommer in Freiheit hinter sich haben.



Doch müssten die Bewerber schon da sein. Sie melden sich traditionell in den Monaten Mai und Juni. Beim Diakonischen Werk hat man der Politik daher schon mal signalisiert, dass im ersten Jahrgang weniger als halb so viele Freiwillige erwartet werden, wie der evangelische Wohlfahrtsverband Plätze anbieten könnte: 3.000 statt 6.500. Das Bundesfamilienministerium selbst hat in den vergangenen beiden Wochen "mehrere hundert Vertragsabschlüsse" registriert, so eine Sprecherin.



Völlig unrealistisch

Die Zahl von 35.000 Bundesfreiwilligen, die Familienministerin Kristina Schröder (CDU) anstrebt, sei "zumindest im ersten Jahrgang völlig unrealistisch", sagt Rainer Hub vom Diakonie-Bundesverband. "Wir sind froh, wenn wir bundesweit 3.000 Plätze schaffen - und den anderen Trägern geht es nicht anders." Bisher habe die Diakonie nur ein paar hundert Bewerber.



Beim evangelischen Kirchentag in Dresden, wo auch die Bundesregierung für den neuen Dienst geworben hatte, haben sich die Jugendlichen am Diakonie-Stand bei Hub ausschließlich nach dem Freiwilligen Sozialen Jahr erkundigt. "Wer nach dem Bundesfreiwilligendienst gefragt hat, kam von einem Verband."



In den neuen Ländern fehlen schon aus demografischen Gründen die Bewerber. Weil es zu wenige Jugendliche gibt, lotst die Diakonie in Sachsen alle Jugendlichen in das etablierte Freiwillige Soziale Jahr. Nur die über 27-Jährigen werden Bundesfreiwillige - aber das seien bisher nur ganz wenige, sagt Hub.



Die durch den Wegfall des Zivildienstes entstehende Lücke lasse sich "so kurzfristig noch nicht schließen", bilanziert der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider. Die in seinem Verband zusammengeschlossenen Einrichtungen könnten nach eigenen Angaben 5.000 Bundesfreiwillige unterbringen - und haben zurzeit rund 500 Bewerbungen. Doch Schneider ist optimistisch. In dem neuen Freiwilligendienst liege "ein enormes Potenzial" für eine Erfolgsgeschichte.



"Man merkt jetzt, dass die Zeit fehlt"

Der Bundesfreiwilligendienst, für den die Bundesregierung nun auf Großplakaten in den Städten wirbt, unterscheidet sich vom Zivildienst darin, dass er für Männer und Frauen geöffnet und allen Altersstufen zugänglich ist. Er kann ein Jahr dauern, auch länger oder kürzer, in Intervallen und Teilzeit und in mehr Bereichen als der Zivildienst geleistet werden. Die Freiwilligen bekommen ein Taschengeld, das im Durchschnitt bei 150 bis 200 Euro liegt, dazu Kindergeld sowie - je nach Einsatzstelle - Verpflegung und Unterkunft.



Unklar ist noch, wie hoch die Förderpauschale für die Träger ausfällt, weil dazu eine letzte gesetzliche Regelung fehlt. Das führe derzeit zusätzlich "zu Unsicherheiten bei den Vertragsabschlüssen", sagt die Sprecherin des Caritas-Bundesverbandes, Claudia Beck.

Brauchbare Vertragsformulare seien auch erst seit zwei Wochen da. Verwunderlich ist das nicht. Von der Abschaffung der Wehrpflicht samt Zivildienst bis zum Start des Bundesfreiwilligendienstes am 1. Juli ist nur ein Dreivierteljahr vergangen. "Die Verbände haben immer um mehr Zeit gebeten", sagt Beck: "Man merkt jetzt, dass die Zeit fehlt."