Experten diskutieren über Zukunft der Jugendpolitik

Investition in die Zukunft

Mit dem Besuch des Bundespräsidenten ging der 14. Deutsche Kinder- und Jugendhilfetag in der baden-württembergischen Landeshauptstadt zu Ende. Drei Tage lang hatten auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe Experten aus Politik und Gesellschaft sowie Heranwachsende über die Zukunft der Jugendpolitik in Deutschland diskutiert. Zu den mehr als 45.000 Besuchern und Teilnehmern gehörten auch Vertreter von Caritas und dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Als Christian Wulff kam, wurde es harmonisch. Mit dem Besuch des Bundespräsidenten ging am Donnerstag in Stuttgart der 14. Deutsche Kinder- und Jugendhilfetag zu Ende. Drei Tage lang hatten auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) Experten aus Politik und Gesellschaft sowie Heranwachsende über die Zukunft der Jugendpolitik in Deutschland diskutiert. Und dabei mit Kritik an den aktuellen Verhältnissen nicht gespart. Umgerechnet investiere der Staat nur 4,08 Euro pro Tag in jeden der rund 16,3 Millionen Heranwachsenden. Viel zu wenig angesichts einer immer größer werdenden Zahl von benachteiligten Jugendlichen.



Die Wunschliste der Fachleute, unter ihnen Vertreter von Caritas und dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), ist lang. So sollen Lehrer verstärkt von Sozialarbeitern unterstützt werden, um vor allem verhaltensauffälligen Schülern einen Abschluss zu ermöglichen. Gleichzeitig gilt es aus Sicht der Konferenzteilnehmer, in Kinderheimen mehr Plätze für unter 6-Jährige aus sozial schwachen Familien einzurichten. Sie werden immer öfter in stationären Einrichtungen aufgenommen. Daran schließt sich an die Forderung nach einer verstärkten Anwerbung von Fachkräften. Insbesondere an Männern und Migranten, die mit den Problemen der Mädchen und Jungen vertraut sind, herrscht offenbar ein Mangel.



Doch: Wer soll das bezahlen?, lautet die immer gleiche Kardinalfrage. Wer sich auf dem Treffen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt umhörte, konnte sich eines Eindrucks nicht erwehren: Die Debatte dreht sich im Kreis. Dass die finanziellen Spielräume von Bund, Ländern und Kommunen durch die weltweite Finanzkrise und ihre Folgen immer enger werden, räumen alle Beteiligten ein. Umstritten jedoch ist, wie man die vorhandenen Mittel besser nutzen kann.



"Flickenteppich von Notmaßnahmen"

AGJ-Geschäftsführer Norbert Struck schließt eine Debatte über den Sinn föderalistischer Strukturen in der Jugendpolitik nicht aus. Das sogenannte Koooperationsverbot, das eine finanzielle Einmischung des Bundes in den von den Ländern zu verantwortenden Bildungsbereich verbietet und damit auch Teile der Jugendarbeit betrifft, könnte in bestimmten Fällen zurückgenommen werden. Als Vorbild verweist Struck auf ähnliche Regelungen bei der Kindertagesbetreuung. Es gehe darum, einen "Flickenteppich von Notmaßnahmen" durch eine langfristige und verlässliche Strategie in Städten und Gemeinden zu ersetzen.



Nach Ansicht der BDKJ-Vorsitzenden Ursula Fehling kann dieser Vorschlag jedoch kein Allheilmittel sein. Sie appelliert daher an die Kommunen, Kürzungen zu überdenken und nicht an den Jugendlichen zu sparen, die trotz eines schwindenden Anteils an der Gesamtbevölkerung die Zukunft der Gesellschaft bildeten. Die Angesprochenen ihrerseits verweisen auf die schon jetzt zu schulternden Lasten. Ausgerechnet der verpflichtende Ausbau der Betreuungsangebote für die unter 3-Jährigen wächst sich nach Meinung des Deutschen Städtetags zu einer "Herkulesaufgabe" aus - bei der wiederum die Länder ihrer Finanzierungspflicht nicht nachkämen.



Dass es zum Schluss dennoch deutlich hörbares Lob für die politisch Verantwortlichen gab, lag nicht zuletzt an einem Eckpunktepapier aus dem Bundesfamilienministerium, das auf dem Stuttgarter Treffen vorgestellt wurde. Unter der Überschrift "Eine Allianz für die Jugend" spricht sich das Haus von Kristina Schröder (CDU) für einen möglichst breiten Ansatz in der Kinder- und Jugendpolitik aus. Ab dem Jahr 2012 sollen die Rahmenbedingungen auf Bundesebene ebenso auf den Prüfstand kommen wie die Zusammenarbeit der einzelnen Einrichtungen vor Ort.



Vielleicht hat ja tatsächlich ein Umdenken eingesetzt. Der Bundespräsident brachte es bei seinem Rundgang in den Messehallen auf den Punkt: "Es gibt, menschlich wie ökonomisch, keine bessere Investition als die, jedem Kind - von Anfang an und unabhängig von seinem Elternhaus - das Rüstzeug mitzugeben, seine Zukunft eigenständig zu gestalten."