Hilfe für Irak-Flüchtlinge in Jordanien

Den Glauben verteidigen

Zurzeit leben etwa 500.000 irakische Flüchtlinge in Jordanien, darunter bis zu 35.000 Christen. Für diese startet nun das weltweite katholische Hilfswerk Kirche in Not eine umfassende Hilfsaktion. Irakischen Flüchtlingsfamilien soll ermöglicht werden, ihren Glauben zu erhalten und die Ausbildung für ihre Kinder an christlichen Schulen zu finanzieren. Ein Bericht zur Situation vor Ort am Beispiel der Familie Sarkis.

Autor/in:
André Stiefenhofer
 (DR)

Irakische Flüchtlinge werden in Jordanien lediglich als "Gäste” anerkannt, daher haben sie kein Recht auf einen festen Wohnsitz und dürfen nicht arbeiten. Mehr als 1000 Kinder aus christlichen Familien im schulpflichtigen Alter bekommen nach Angaben des Päpstlichen Missionswerkes zur Zeit keine Schulbildung, da ihre Eltern kein Geld für den Transport zur Schule und anfallende Gebühren haben. Es sind Familien wie die von Sarkis F. Bis zum Sommer 2010 war Sarkis Professor für Maschinenbau an der Universität Bagdad. Heute lebt er mit seiner sechsköpfigen Familie und zwei Verwandten in einer kleinen Zweizimmerwohnung in der jordanischen Hauptstadt Amman. "Schon seit Jahren erhielt ich in Bagdad anonyme Drohungen von Islamisten”, berichtet er. "Sie schrieben: Entweder du wirst Moslem, oder wir bringen dich um!”



Als Terroristen am 31. Oktober 2010 ein Blutbad in der Kirche "Unserer Lieben Frau” anrichteten, nur wenige Meter von seinem Haus entfernt, entschloss er sich, seiner Heimat den Rücken zu kehren. Dieser Entschluss war schon länger gereift, denn für die Frauen der Familie war es unmöglich geworden, das Haus ohne Schleier zu verlassen. "Mein Bruder wurde zusammengeschlagen, nur weil er in kurzen Hosen auf die Straße ging”, erzählt Sarkis. Der Weg zur Kirche jeden Sonntag war für die Familie mit Lebensgefahr verbunden.



Kirchgang wieder möglich

In Jordanien ist der Kirchgang nun wieder ohne Probleme möglich. "Wir danken den Menschen hier dafür, dass sie uns so gut aufgenommen haben”, betont Sarkis. Auch mit der muslimischen Mehrheit in Jordanien hat die Familie keine Probleme. Es sei so, wie zu Zeiten Saddam Husseins im Irak: "Wir waren alle zuerst Iraker und erst dann kam unsere Religion”, erinnert sich Sarkis. Die fanatischen Gruppen seien erst nach dem Fall des Regimes aufgetreten. "Probleme machten uns vor allem extremistische Schiiten. Früher hat kein Imam während des Freitagsgebets Hasspredigten gehalten - heute ist das im Irak an der Tagesordnung.” Eine Zukunft habe er in seinem Land keine mehr gesehen. "Alle Parteien sind fanatisch. Das kann nicht gutgehen!” In Jordanien angekommen sieht die Zukunft für Sarkis und seine Familie ebenfalls nicht gut aus. "Seht uns an”, ruft seine Frau und zeigt in die Runde, "Acht Personen in zwei Zimmern!”



Eigentlich sollte Amman nur eine Zwischenstation für die Familie sein. Sarkis ist ein hochqualifizierter Maschinenbauingenieur und wollte in den USA sein Glück suchen, aber die Einwanderungsbehörde hätte nur ihn, seine Frau und seinen kleinen Sohn einreisen lassen. Das kam für Sarkis nicht in Frage, denn der 76-jährige Großvater kann schließlich kaum mehr gehen und ist auf seinen Sohn angewiesen. Auch seinen Bruder will Sarkis auf keinen Fall zurücklassen. Familie ist schließlich Familie, also blieben alle.



Druck auf Christen auch in Jordanien spürbar

Doch wie wird es sein, wenn der Kleine in die Schule kommt? Eine christliche Privatschule kann sich die Familie nicht leisten und an den staatlichen Schulen sind die Christen zwar willkommen, aber der Druck der muslimischen Klassenkameraden ist groß: Wer nicht zum Islam konvertiert, verbringt seine Schulzeit ohne Freunde. Zusätzlich zu diesen Zukunftssorgen wird es immer enger in der Wohnung. Mitte März klopfte es an der Tür und vor dem verdutzten Sarkis standen zwei entfernte Tanten aus Bagdad. Sie hatten ihren gesamten Besitz verkauft und waren mit dem Taxi aus dem Irak nach Amman geflohen.



Am Grenzübergang bekamen sie Angst, dass der Zoll ihnen ihr Erspartes, immerhin 5000 Dollar, abnehmen könnte. Darum baten sie den Taxifahrer, das Geld für sie aufzubewahren. In Amman angekommen behauptete der Fahrer, das Geld verloren zu haben. Diebstahl auf irakisch. Seitdem leben in der Wohnung acht Personen auf vierzig Quadratmetern. Sarkis lächelt, während er all das erzählt. Doch was er sagt, klingt nicht froh. Das gesparte Geld reiche noch etwa ein halbes Jahr und arbeiten dürfe er nicht. "Ohne offiziellen Wohnsitz haben wir keine Hoffnung in Jordanien und als Familie ausreisen dürfen wir nicht”, sagt Sarkis leise.



Das Hilfswerk Kirche in Not will nun Familien wie die von Sarkis mit Soforthilfen in ihrer Notsituation helfen. Ein Projekt, durch das den Flüchtlingskindern eine Ausbildung an christlichen Schulen finanziert wird, ist in Vorbereitung.



Hinweis: Der Autor André Stiefenhofer ist gerade von einer Reise für das Hilfswerk aus der Region zurückgekehrt.