Weltgemeinschaft sucht neue Strategie für Kampf gegen Aids

Am Scheideweg

Vor 30 Jahren wurde Aids bekannt, seitdem sind mehr als 30 Millionen Menschen an der Immunschwächekrankheit gestorben. Dennoch tun die reichen Industrieländer nach wie vor zu wenig - kritisieren nicht nur kirchliche Hilfsorganisationen vor dem UN-Gipfel in New York. Das Treffen könnte wegweisend sein.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

Das katholische Hilfswerk Misereor und der evangelische Entwicklungsdienst kritisierten am Montag (06.06.2011) die Bilanz der vergangenen zehn Jahre. Noch immer erhielten über zehn Millionen Menschen nicht die notwendige Behandlung; alleine 2009 seien 1,8 Millionen Menschen an der Immunkrankheit gestorben, da Medikamente nicht verfügbar oder zu teuer seien, so Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon in Aachen.



Neben den Staats- und Regierungsvertretern treffen sich vom von Mittwoch bis Freitag (10.06.2011) in New York auch Delegationen der Kirchen und anderer Religionsgemeinschaften. Sie soll die Strategie für das nächste Jahrzehnt festlegen. Im Mittelpunkt steht die Ausweitung der Therapie. Am 5. Juni jährte sich zum 30. Mal die erste wissenschaftliche Erwähnung von HIV/Aids im Mitteilungsblatt der US-amerikanischen Centers for Disease Control (CDC).



Rund 34 Millionen mit dem Aids-Virus

Rund 30 Millionen Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen in den vergangenen drei Jahrzehnten an der Immunschwächekrankheit Aids gestorben. Besonders hoch war die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit HIV/Aids in armen Ländern. Ende 2010 waren weltweit rund 34 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert gewesen.



Rund zwei Drittel der Infizierten leben in afrikanischen Ländern südlich der Sahara. "30 Jahre nach Ausbruch der Epidemie 1981 befinden wir uns am Scheideweg", erklärte der Strategie-Direktor von UNAIDS, Bernhard Schwartländer. Nach Angaben des Hilfsprogramms gingen 2010 die international verfügbaren Gelder im Kampf gegen HIV/Aids erstmals seit einem Jahrzehnt zurück; UNAIDS nannte jedoch keine konkreten Zahlen.



Bis 2015 bräuchte die internationale Gemeinschaft jährlich 22 Milliarden US-Dollar, um die weitere Ausbreitung von HIV/Aids zu stoppen. Laut UNAIDS fehlen große Summen, um bedürftige Menschen in Entwicklungsländern mit der lebensverlängernden antiretroviralen Therapie zu versorgen. Von dieser profitieren derzeit 6,6 Millionen Menschen in armen Ländern. Rund neun Millionen Menschen, die derzeit eine antiretrovirale Behandlung benötigen, erhielten keine.



UNAIDS beklagt zudem, dass 30 Jahre nach dem Bekanntwerden der ersten Aids-Erkrankungen HIV-Infizierte in vielen Ländern noch immer mit staatlichen Schikanen zu kämpfen hätten. Weltweit existierten in 47 Ländern Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Infizierte. In etlichen Staaten werde die Übertragung von HIV als Straftatbestand gewertet.



Vatikan gegen Ausgrenzung von Aidskranken

In Rom tagte bereits Ende Mai eine internationale Konferenz über die Immunschwächekrankheit. Auch der Vatikan  wandte sich hier gegen eine gesellschaftliche Stigmatisierung von Aids-Kranken. Der katholischen Kirche gehe es in ihrem weltweiten Kampf gegen die Immunschwächekrankheit auch um eine Überwindung von Vorurteilen, die zu einer Ausgrenzung dieser Gruppe aus Familie und Gesellschaft führten, sagte Kardinalstaatsekretär Tarcisio Bertone. Eine weitere Ausbreitung der Krankheit müsse durch wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen eingedämmt werden, die auf die Vermittlung eines verantwortungsbewussten und moralisch gefestigten Umgangs mit Sexualität zielten.



UNAIDS-Exekutivdirektor Michel Sidibe bezeichnete bei dem Treffen die jüngsten Äußerungen Benedikts XVI. zum Gebrauch von Kondomen in Ausnahmefällen "als sehr wichtig" für die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche. Durch sie öffne sich "ein neuer Raum für den Dialog", sagte Sidibe am Samstagmorgen.



Der Papst hatte in einem im November veröffentlichten Interviewbuch mit dem Journalisten Peter Seewald mit Blick auf ein Ansteckungsrisiko durch einen HIV-Infizierten von "begründeten Einzelfällen" gesprochen, in denen der Gebrauch eines Kondoms "ein erster Schritt zu einer Moralisierung" und "ein erstes Stück Verantwortung" sein könne. Dies gelte etwa im Fall von Prostitution. Die Glaubenskongregation hatte in einer Erläuterung festgehalten, dass sich diese Aussage des Papstes ausschließlich auf den Fall von Prostitution beziehe.