Auf dem Dresdner Kirchentag kamen Religion und Politik zusammen

Glaubensfest auf malerischer Bühne

Beim evangelischen Kirchentag in Dresden hat sich der deutsche Protestantismus fünf Tage lang in seiner ganzen Breite präsentiert: 118.000 Dauerteilnehmer und Zehntausende Tagesgäste haben ein Fest des Glaubens gefeiert: fröhlich, fromm und zugleich sehr politisch.

Autor/in:
Christoph Schmidt
 (DR)

Die Kulisse stimmte. Nein, sie war perfekt. Vor der märchenhaften Silhouette der wiedererstandenen Barockstadt Dresden hat der 33. Evangelische Kirchentag eine Dramaturgie entfaltet wie selten zuvor. Spätestens, als am Eröffnungsabend Zigtausend brennende Lichter über die nächtliche Elbe glitten, vorbei an der angestrahlten Frauenkirche, wurde klar: Der deutsche Protestantismus schickte sich an, endlich nach Hause zu kommen. Wenigstens symbolisch. Denn drei Viertel der Ostdeutschen sind konfessionslos.



Zwar hatte es bereits 1997 mit Leipzig einen Kirchentag in Ostdeutschland gegeben, der aber böse gesprochen seinen westdeutschen Invasionscharakter nicht wirklich abschütteln konnte. Beim zweiten Anlauf sollte es nach den Worten von Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt mehr denn je darum gehen, "die Zukunft des Glaubens in einer glaubensfernen Umwelt zu sichern". Tatsächlich kam von den rund 120.000 Dauerteilnehmern - deutlich mehr als zwei Jahre zuvor in Bremen - ein Drittel aus den neuen Ländern.



Wer indes die christianisierte Bannmeile im Zentrum mit den singenden Gläubigen in ihren grünen Kirchentagsschals und den allgegenwärtigen Posaunenchören verließ, der traf bei Einheimischen durchaus auf altsozialistische Kirchenfeindlichkeit. T-Shirts mit der Aufschrift "Ich bin Kreuz-Allergiker" gehörten noch zu den originelleren Beiträgen. Der Berliner Theologe Wolf Krötke sah es realistisch: "Wir haben die Menschen massenhaft verloren und können sie nur einzeln zurückgewinnen." Der "Gewohnheitsatheismus" aus DDR-Zeiten halte sich zäh.



Viel vorgenommen

Ohnehin hatte sich dieser Kirchentag in krisenhafter Zeit viel vorgenommen. Atomausstieg, Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise, Libyen und die Umwälzungen in der arabischen Welt mit ihren Flüchtlingsströmen, Bundeswehreinsätze, Integrationspolitik - all das sollte bei den gut 2.300 Veranstaltungen Thema werden. Und wurde es dann irgendwie auch. Von heißen Kontroversen, die bei Kirchentagen ihrem eigenen Anspruch nach einfach dazugehören, hörte man nichts. Einem entnervten Besucher, der nach eigener Beteuerung ein Dutzend Foren ohne jeden erregten Zwischenruf, ohne empörte Sit-Ins erlebte, blieb nur die Erinnerung an glorreichere Zeiten in den 80er Jahren.



Dabei waren sie alle da, die Merkels und Wulffs, die Steinmeiers, Künasts und de Maizieres. Zuweilen sollen sogar namhafte Banker gesichtet worden sein. Doch es blieb brav und damit reichlich Zeit für routinierte Politikerbekenntnisse zu einer besseren Welt. "Wir tragen Verantwortung für Gottes Schöpfung", rief die Bundeskanzlerin bei einem umjubelten Auftritt. Dazu meinte besagter Besucher, es müsse wohl so sein, wenn im 21. Jahrhundert Glaube auf Politik trifft.



Es geht einfach um ein Glaubensfest

Zugegeben: Beim vorgesehenen Hauptthema, dem Atomausstieg, war der Zünder nach dem entsprechenden Regierungsbeschluss feucht geworden. Doch die Afghanistan-Debatte wurde just am Donnerstag von einem weiteren tödlichen Anschlag auf die Bundeswehr überschattet. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, regte einmal mehr eine gesellschaftliche Debatte über die Bundeswehreinsätze an, über die nicht die Politik allein entscheiden dürfe. Derweil verzückte seine Vorgängerin Margot Käßmann ihre riesige Anhängerschar mit dem geschmacksresistenten Vorschlag, die Taliban zum gemeinsamen Gebet einzuladen. Und zur gewaltigen Vernichtung von Volksvermögen durch die Gier einiger weniger lautete der Tenor einer Podiumsrunde, Geld mache eben nicht glücklich.



Nein, auch bei diesem Kirchentag ging es nicht um den großen politischen Wurf. Ebenso wenig wie bei Katholikentagen. Es geht einfach um ein Glaubensfest von Menschen, die hinter einer zweifelhaften Welt mehr vermuten als Krisen und Kriege. Und um die Selbstvergewisserung, dass sie auf der Suche nach Gotteserfahrung nicht alleine sind. Unter dem Kirchentags-Motto "...da wird auch dein Herz sein" ist das in Dresden gelungen.