In Chile hungern die Mapuche für ein faires Gerichtsverfahren

Politik und Medien schauen weg

Seit rund 80 Tagen befinden sich vier Vertreter des indigenen Volkes der Mapuche in einem Gefängnis im Süden Chiles im Hungerstreik. Ihr Zustand ist kritisch. Über die Landesgrenzen hinaus steht das Wegschauen der Medien und der Regierung in der Kritik.

Autor/in:
Camilla Landbö
 (DR)

Durchschnittlich haben sie 20 Kilo an Gewicht verloren. Die großen und regierungsnahen Medien berichten kaum über den Hungerstreik, obwohl seit zwei Monaten in verschiedenen Städten Chiles wöchentlich Menschen deshalb auf die Straße gehen.



Die streikenden Mapuche waren im März zu 20 beziehungsweise 25 Jahren Haft verurteilt worden. Sie sollen einen chilenischen Staatsanwalt 2008 überfallen haben, mit der Absicht, ihn umzubringen. Der Anwalt blieb allerdings unversehrt. Die Verurteilten weisen die Anschuldigungen von sich. Das Ganze sei ein abgekartetes Spiel von Unternehmern, Staatsanwälten und Polizisten, um ihren historischen Kampf um ihre Rechte zu bremsen. Weiter verurteilte man die Mapuche unter anderem wegen terroristischer Verschwörung sowie Diebstahl von Holz. Ihre Verteidiger hatten keine Einsicht in die Ermittlungsakten, und die Staatsanwaltschaft durfte 36 geheime Zeugen aufrufen, deren Identität nur den Klägern bekannt war.



Rund eine Million Mapuche

Seit eh und je kämpft das Volk der Mapuche für Selbstbestimmung und die Rückgabe ihrer Länder. Nach der Gründung Chiles 1810 besetzte die junge Regierung ab der Hälfte des 19. Jahrhunderts die Territorien der Mapuche im Süden und erklärte sie zu Staatseigentum. Die Länder wurden vorzugsweise an europäische Immigranten verteilt. Heute verdrängen auch Bergwerke, Erdölkonzerne und riesige Baumplantagen die indigene Bevölkerung.



In Chile leben nach Schätzungen rund eine Million Mapuche. Über die Hälfte hat ihr natürliches Umfeld verlassen und sich in Städten wie Santiago de Chile und deren Ballungsräumen angesiedelt. Dort verrichten sie vor allem einfache Arbeiten. So sind viele der indigenen Frauen als Hausmädchen angestellt. Die Mapuche, die ihren Sitten und Bräuchen im Süden des Landes noch folgen, müssen als Kleinbauern ums Überleben kämpfen. Die Großgrundbesitzer verbieten ihnen den Zugang, um etwa Holz zu sammeln.



Gewaltsame Auseinandersetzungen

In den letzten Jahren kam es zwischen Mapuche und Sicherheitsleuten zu verschiedenen gewaltsamen Auseinandersetzungen. Mapuche-Anhänger besetzten etwa aus Protest Ländereien. Die Regierung stellte die Verhafteten unter Anwendung des Antiterrorgesetzes vor Gericht. Das Gesetz stammt aus der Diktaturzeit von Augusto Pinochet (1973-1990). Es erlaubt, Angeklagten wegen "terroristischen Handelns" auch vor einem militärischen Gericht den Prozess zu machen. Lange Untersuchungshaft, unangemessen hohe Strafen, Aussagen anonymer Zeugen können die Folgen sein. Ein Gesetz, das von verschiedenen katholischen Geistlichen in Chile, von Menschenrechtsorganisationen, vielen Politikern und den Vereinten Nationen scharf kritisiert wird.



Bereits vergangenes Jahr legten 34 Mapuche-Häftlinge einen Hungerstreik ein, der rund drei Monate dauerte. Die katholische Kirche trat als Vermittler zwischen Regierung und den Mapuche auf, die den Streik nach Zugeständnissen beendeten. Die Regierung verpflichtete sich, alle Anschuldigungen fallen zu lassen und das Antiterrorgesetz nicht mehr anzuwenden.



Ein Versprechen, das nicht eingehalten wurde. Ihnen sei nach den Regeln des Antiterrorgesetzes der Prozess gemacht worden, sagen die sich zurzeit im Hungerstreik befindenden Mapuche. Sie fordern, dass ihre Urteile aufgehoben und ein neues faires Verfahren aufgerollt wird. Fernando Chomali, der neue Erzbischof von Concepcion im Süden Chiles, hat sich auf Bitten der Mapuche bereiterklärt, sich für ihre Anliegen einzusetzen, wie sein Vorgänger Ricardo Ezzati vergangenes Jahr.



Das Oberste Gericht Chiles hat angekündigt, eine Nichtigkeitsklage zu verhandeln. So lange die Mapuche keinen positiven Bescheid bekommen, wollen sie weiter hungern.