Kirchentag debattiert über Krieg und Frieden

Warnung vor "Kanonenbootpolitik"

Unter dem Eindruck der Serie tödlicher Anschläge auf deutsche Soldaten in Afghanistan hat der evangelische Kirchentag am Donnerstag in Dresden intensiv über den Umbau der Bundeswehr und die Grenzen militärischen Eingreifens im Ausland diskutiert.

 (DR)

Ungewöhnlich scharf kritisierte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, die aktuellen Reformpläne von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). "Wir dürfen die Bundeswehr nicht zum Instrument einer Kanonenbootpolitik in neuer Form machen", warnte der rheinische Präses.



Just als die Mahnung Schneiders am Morgen des Himmelfahrtstages in Deutschland die Radiohörer weckte, wurde ein Schützenpanzer Marder Zielscheibe des dritten tödlichen Anschlags auf deutsche Soldaten binnen nicht einmal zehn Tagen. Dabei starb ein deutscher Soldat der internationalen Schutztruppe ISAF, fünf weitere wurden verletzt.



Verteidigungsminister de Maizière informierte am frühen Nachmittag am Rande des Kirchentages in Dresden die Öffentlichkeit - und gab sich dabei kompromisslos: "Vor Gewalt darf man nicht weichen", sagte der Minister, der dem Präsidium des Kirchentages angehört und bei mehreren Veranstaltungen als Referent auftritt.



Wenig später ließ der CDU-Politiker in einer Diskussionsrunde vor Jugendlichen mehr Emotionen zu: "Während wir hier sitzen, weint eine Frau um ihren Partner", sagte der Minister, der seit dem 25. Mai den Tod von insgesamt vier Bundeswehrsoldaten zu verkünden hatte.



Die Todesnachrichten sind Wasser auf die Mühlen derjenigen, die de Maizières Umbaupläne für die Bundeswehr ablehnen. "Es ist beunruhigend zu sehen, dass die Bundeswehr Stück für Stück zu einer Einsatzarmee umgebaut wird", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Schneider der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagsausgabe). "Weitere Kampfeinsätze zur Durchsetzung welcher Interessen auch immer halte ich nicht für den richtigen Weg", sagte der rheinische Präses, der am Freitag auf dem Kirchentag mit de Maizière über die Auslandseinsätze der Bundeswehr diskutieren wird.



Schneider sowie der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann, der hauptamtlich Landessuperintendent der Lippischen Kirche ist, forderten eine breite gesellschaftliche Debatte über die zukünftige Rolle der Bundeswehr. Am Rande des Kirchentages sagte Dutzmann dem epd, daran sollten gesellschaftliche Kräfte wie Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Friedensinitiativen beteiligt werden.



Auch die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann äußerte sich in Dresden zum Umbau der Bundeswehr. Vor anderthalb Jahren hatte sie ihren viel beachteten und zum Teil heftig kritisierten Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" gesprochen. Nun lobte sie die Abschaffung der Wehrpflicht. "Unsere Gesellschaft gibt ein deutliches Signal ihres Friedenswillens, wenn sie ihren Bürgern keine Pflicht zum Waffendienst mehr auferlegt", sagte sie. Doch blieben offene Fragen.

"Wir ringen weiter um die Frage, wie unschuldige Menschen vor Ungerechtigkeit, Krieg und Gewalt geschützt werden können", sagte sie.



Der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms sagte: "Meine wichtigste Erkenntnis ist nach den Jahren des Afghanistan-Einsatzes: Wir müssen mehr über den Vorrang des Politischen nachdenken." Auch für den ehemaligen Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖKR), Konrad Raiser, ist und bleibt Frieden schaffen eine politische

Aufgabe: "Mir ist kein militärischer Einsatz bekannt, wo durch Waffengewalt Frieden geschaffen wurde."



Schneider und islamische Theologen sprachen sich für ein gemeinsames Engagement der Religionen für Frieden und sozialer Gerechtigkeit aus. Die gemeinsame Tradition der abrahamitischen Religionen ermögliche bei allen Unterschieden, sich gemeinsam für soziale Gerechtigkeit einzusetzen, sagte Schneider bei einem Zentrum Muslime und Christen. Der islamische Großmufti Mustafa Ceric rief zu einer "spirituellen Revolution" der großen Religionen in Europa auf.

Sie müssten sich für einen "heiligen Frieden" anstelle eines "heiligen Krieges" einsetzen, sagte der islamische Geistliche aus Sarajevo.