Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe eröffnet zum letzten Mal den Ärztetag

Ein leiser Abschied

Zum Abschied ist er leise, leiser noch als sonst. "Auch wenn meine Stimme brüchig klingt, es sind nur die Stimmbänder", versichert Jörg-Dietrich Hoppe. "Meine Stimmung ist gut." Gerade nach zwölf Jahren Präsidentschaft der Bundesärztekammer sei er zuversichtlich. Verena Schmitt-Roschmann blickt zurück.

 (DR)

So manche stickige Stadthalle der Republik hat der nun 70-Jährige in seiner Zeit als Ärztepräsident gesehen, Ärztetage eröffnet, verstorbene Kollegen geehrt, Medaillen verliehen. Nun ist es das sogenannte Kieler Schloss mit seinem Resopal- und Teppichboden-Charme der 70er Jahre, in dem der Pathologe das jährliche Ritual der Deutschen Ärzteschaft leitet.



Hager und grau und leicht gebeugt steht er am Dienstag vor den Festgästen, kaum hörbar verliest er stockend seine Rede, hält das Manuskript auf halber Armlänge vor die getrübten Augen. Seine Standeskollegen, die ihn seit 1999 drei Mal als ihren obersten gewählt haben, begleiten Hoppes Auftritt dennoch gespannt und mit großer Sympathie. Dankbar applaudieren sie, wenn sein Witz durch den brüchigen Vortrag blitzt und er sich nochmals für seinen Stand in die Bresche wirft.



Wider die "staatsmedizinische Doktrin"

Die Zeit, als die große Politik bei Ärztetagen mit Buhrufen empfangen und beschimpft wurde, ist vorbei. Mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt lieferte sich Hoppe einst ironische Redegefechte. Wenn die SPD-Frau sagte, sie könne nicht alle Mediziner zu Millionären machen, tobte der Saal. Wie eine ferne Reminiszenz ruft Hoppe diese Zeit noch einmal in Erinnerung - die "Programmmedizin", "Regierungsdekrete" und "staatsmedizinische Doktrin", die die Ärzte schaudern lassen.



Geändert hat sich zwar seit Schmidts Abgang 2009 im Prinzip wenig - Dokumentationspflichten, das undurchschaubare Abrechnungssystem der Ärzte, die Budgetdeckel - all die Ärgernisse der Ärzteschaft sind weitgehend intakt. Und die jüngsten üppigen Honorarerhöhungen haben die Mediziner eigentlich Schmidt zu verdanken. Doch ist vor allem die Atmosphäre offenbar anders geworden. Darauf sei er besonders stolz, sagt Hoppe, auf "die neue Dialogkultur mit dem Bundesministerium für Gesundheit, die Offenheit, mit der wir jetzt endlich über die Probleme reden können".



Minister freundlich empfangen

Angefangen hat dies mit dem Mediziner Philipp Rösler (FDP), der das Gesundheitsministerium 2009 für gut eineinhalb Jahre übernahm. Nun bekennt sich auch sein Nachfolger Daniel Bahr zur Kooperation mit den Ärzten. Von den Delegierten in Kiel wird der junge FDP-Mann - mit seinen 34 Jahren kaum halb so alt wie Hoppe - dafür freundlich empfangen.



Bessere Verdienstmöglichkeiten verspricht er, eine neue Gebührenordnung für Ärzte ebenso wie eine weitere Honorarreform. "Wir müssen raus kommen aus der kurzfristigen Kostendämpfungsspirale", ruft der Minister den Ärzten zu. "Wir brauchen ein Finanzierungssystem, das Stabilität und Nachhaltigkeit gibt." Die Mediziner hören es gerne.



Ärzte hätten einen hohen Anspruch, fährt Bahr fort, der gerade erst seine Pläne zur Bekämpfung des drohenden Ärztemangels auf dem Land vorgestellt hat. "Meine Aufgabe wird es deshalb sein, ihnen die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen." Zur Illustration erzählt Bahr den Ärzten die Geschichte von einem seiner besten Freunde, Manuel aus Münster.



Der Anästhesist sei vor Jahren zum Arbeiten nach Australien gezogen, berichtet Bahr. Denn dort sei zwar die Patientenversorgung schlechter als in Deutschland, es gebe nicht die hier übliche freie Arzt- und Klinikwahl. Aber für die Ärzte seien die Arbeitsbedingungen dort deutlich besser. Jüngst habe sein Freund ihn angerufen, sagt Bahr, ihm zum Ministeramt gratuliert und gescherzt, damit gebe es nun einen guten Grund wieder nach Deutschland zu kommen. Bei den Ärzten hat Bahr also offenbar die Hoffnung auf "australische Verhältnisse" geweckt. Bei den Patienten allerdings dürften die kaum wohlgelitten sein.