Pax-Christi drängt auf eine Strategieänderung für Afghanistan

"Abzug der westlichen Truppen einleiten"

Auch nach dem Selbstmordanschlag und die Luftangriffe mit zivilen Opfern am Wochenende hält die Bundesregierung an ihrer Strategie für Afghanistan fest. Im domradio.de-Interview fordert Johannes Schnettler, Vizepräsident der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, erneut einen Abzug der Truppen.

 (DR)

domradio.de: Wie beurteilen Sie die erneuten zivilen Opfer von ISAF-Angriffen in Afghanistan?

Schnettler: Als Deutscher denkt man natürlich fatal an die Ereignisse von Kundus und wir müssen uns klar machen, dass wir uns hier im Krieg befinden und dass der Krieg natürlich immer unbeteiligte Zivilisten mit einbezieht. Von daher wird es auch, wenn der Krieg so weiter geht, auch in Zukunft solche zivilen Opfer geben.



Aus zivilgesellschaftlicher Perspektive ist es nötig, die Kritik an diesem Krieg wiederholen. Seit 10 Jahren wird versucht, mit militärischen Mitteln die Gewalt in Afghanistan einzudämmen, wir erleben aber eine ständige Steigerung dieser Gewalt mit immer wieder neuen dramatischen Ereignissen mit zivilen Opfern. Von daher kann die Perspektive aus westlicher Sicht nur lauten: Friedensverhandlungen, Einleitung eines Truppenrückzugs und Beendigung des Krieges in Afghanistan.



domradio.de: Sind denn die einheimischen Truppen überhaupt in der Lage, für Ordnung zu sorgen?

Schnettler: Das ist die große Frage, die sich immer wieder stellt. Vor diesem Hintergrund wurde in der Vergangenheit ja auch immer wieder das ISAF-Mandat verlängert, weil die afghanischen Streitkräfte nicht in der Lage sind, die Sicherheit im Lande zu gewährleisten. Aber unter dieser Perspektive wird es einen dauerhaften Konflikt über Jahrzehnte geben in Afghanistan und der Krieg wird nie zu einem Ende geführt werden. Wir müssen jetzt diese Ereignisse zum Anlass nehmen, um wirklich den Abzug der westlichen Truppen einzuleiten und vor allen Dingen die zivilen Alternativen zum Vorschein bringen. Ganz wesentlich wird eine Agrarreform sein, um die Bauern auf eine zivile Produktion von Gütern zu lenken und sie aus der Abhängigkeit des Mohnanbaus zu befreien.



domradio.de: Was muss auf der Afghanistan-Tagung in Bonn im September entschieden werden?

Schnettler: Es muss um einen konkreten Abzug der Truppen gehen, es darf kein Zeitfenster nach oben hin geben, sondern es muss ganz klar gemacht werden, dass wir diese zivile Aufbauhilfe jetzt in Angriff nehmen. Wir brauchen konkrete Unterstützung und Finanzzusagen und eine Stabilisierung der Infrastruktur, um den Leuten im Land eine Perspektive zu eröffnen.



Interview: Monika Weiß