Großdemos gegen Atomenergie begleiten Abschlussberatungen zur Energiewende

"Atomkraft: Schluss!"

In zahlreichen deutschen Städten haben Zehntausende Menschen für einen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie demonstriert – parallel dazu tagte die Ethikkommission rund um Ex-Umweltminister Töpfer abschließend. Am Montag will das Gremium, dem auch drei Kirchenvertreter angehören, der Kanzlerin seine Empfehlungen zum Ausstieg aus der Atomkraft vorlegen.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Die Zeit war knapp bemessen: Nach gerade sechs Wochen will die Ethikkommission "sichere Energieversorgung" ihre Ergebnisse vorlegen. Am Wochenende treffen sich die Experten noch zur Abschlussdebatte, um anschließend ihre Empfehlungen zu verabschieden.



Am Montagmorgen wollen dann die beiden Vorsitzenden, der ehemalige CDU-Bundesumweltminister Klaus Töpfer und der Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Matthias Kleiner, den Bericht der Auftraggeberin überreichen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Anschließend wollen sie ihn der Öffentlichkeit vorstellen.



Ins Leben gerufen nach Fukushima

Nach dem verheerenden Reaktorunglück von Fukushima hatte die Kanzlerin das Gremium zusammengerufen, um Kriterien für eine "Energiewende mit Augenmaß" zu erarbeiten - vor allem aber, um einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen. So waren in der Kommission auch Vertreter aller gesellschaftlichen Bereiche vertreten.



Allerdings ging es gar nicht mehr um die jahrzehntelang umstrittene Frage, ob Kernenergie überhaupt ethisch vertretbar ist, sondern nur noch darum, unter welchen Bedingungen und nach welchen Kriterien ein Ausstieg aus der Atomenergie möglich ist.



Dazu gehen die Meinungen allerdings nach wie vor weit auseinander. Dies wurde nicht zuletzt bei der öffentlichen Anhörung der Ethikkommission zur Energiewende Ende April deutlich. Während die Befürworter eines schnellen Ausstiegs auf die Potenziale von Energieeffizienz sowie den Ausbau von Wind- und Solarkraft pochen, warnen Vertreter von Industrie und Energiekonzernen vor Belastungen für die Wirtschaft und vor steigenden Strompreisen. Umstritten blieben aber auch die Folgen für den Klimaschutz sowie der Umgang mit dem Atommüll.



Laut Medienberichten wird das Gremium einen Ausstieg bis 2021 empfehlen

Vorab veröffentlichte Zitate aus einem Entwurf des Abschlussberichts in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hatten bereits für Kritik von Umweltverbänden gesorgt. Demnach hält das Gremium einen endgültigen Atomausstieg bis 2021 für möglich und plädiert dafür, die vom Netz genommenen sieben Kraftwerke nicht mehr anzuschalten. Der Ausstiegsprozess sei "regelmäßig und transparent" zu überprüfen, hieß es. Ferner verlangt die Kommission Kontrollinstanzen zur Begleitung des Prozesses.



Möglicherweise werden die Experten aber auch mehrere Möglichkeiten vorlegen. So erklärte das Kommissionsmitglied Michael Vassiliadis: "Mit Sicherheit kommen wir nicht zu einer Empfehlung "Ausstieg sofort". Vermutlich werden wir mehrere Szenarien aufzeigen. Damit die Gesellschaft sich am Ende bewusst ist, welche auch finanziellen Folgen welcher Weg hat." Der Chef der Chemiegewerkschaft IG BCE kündigte "einen zeitlichen Korridor" für den Ausstieg an. "Für mich war immer der von der rot-grünen Regierung festgelegte Ausstiegstermin 2022 die Referenz", so Vassiliadis.



Katholische Bischöfe haben Expertenpapier zur Energiewende vorgelegt

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, ebenfalls Kommissionsmitglied, versprach möglichst konkrete Empfehlungen für einen Ausstieg vorzulegen, die zugleich konsensfähig sind. Bereits am Donnerstag hatten die katholischen Bischöfe einen raschen Atomausstieg verlangt. Aus ethischer Sicht sei die Nutzung der Kernenergie "wegen der ungeklärten Entsorgung, der Möglichkeit großflächiger Katastrophen und terroristischer Anschläge" nicht vertretbar, heißt es in einer 52-seitige "Arbeitshilfe" mit dem Titel "Der Schöpfung verpflichtet". Sie wurde von der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Bischofskonferenz erarbeitet, der der Münchner Kardinal Reinhard Marx vorsteht. Auch er gehört der Ethikkommission an.



In einem Namensbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte Marx aber zugleich vor einem "sofortigen Ausstieg um jeden Preis" gewarnt. Für eine nachhaltige Lösung müssten die Risiken der alternativen Energien, das Problem des Energiemangels in den armen Ländern und der Klimawandel mitbedacht werden. Der Atom-Ausstieg sei nur als "großes Gemeinschaftswerk" zu bewerkstelligen, ist der Kardinal überzeugt. Am Montag wird die Öffentlichkeit wissen, wie sich die Ethikkommission dieses Gemeinschaftswerk vorstellt.