Experten fordern Verbot von Alkoholwerbung zum Schutz von Jugendlichen

Entspannte Party unter Palmen

Schulstress, Probleme mit den Eltern, der Umgang mit Alkohol zu Hause oder das soziale Umfeld: Problematisches Trinkverhalten Jugendlicher kann viele Ursuchen haben. Nicht zu unterschätzen sei dabei der Stellenwert von Werbung.

Autor/in:
Juliane Ziegler
 (DR)

Das sagt Peter Raiser von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen in Hamm. "Die Werbestrategien richten sich immer mehr an junge Leute", rügt der Fachmann. Auch dagegen müsse die Alkoholprävention Zeichen setzen, wie das noch bis zum Montag bei der diesjährigen Aktionswoche geschieht. Motto: "Alkohol? Weniger ist besser!"



Mehr als eine halbe Milliarde Euro für Alkoholwerbung in Deutschland

Über 500 Millionen Euro gibt die Alkoholindustrie in Deutschland pro Jahr aus, um für ihre Getränke zu werben, berichtet der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Gleichzeitig ist der Alkoholkonsum rückläufig: Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln trinken die Deutschen seit den 70er Jahren kontinuierlich weniger Alkohol.



Grund zur Sorge gibt aber dennoch: "Riskantes exzessives Trinken wie das sogenannte "Komasaufen" ist bei Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem", erklärt der Psychologe Reiner Hanewinkel vom Kieler Institut für Therapie und Gesundheitsforschung. "Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Teenager, die aufgrund von Alkoholmissbrauch ins Krankenhaus eingeliefert wurden, um über 175 Prozent gestiegen."



Werbespots im Test

Hanewinkel untersucht den Zusammenhang zwischen Alkohol- und Werbekonsum von Jugendlichen. Für die Studie seines Instituts bekamen 3.415 Schüler Werbespots sowohl von Alkohol als auch von anderen Produkten mit unkenntlich gemachten Markennamen vorgelegt. Die Jugendlichen sollten angeben, ob ihnen die Reklame bekannt ist. Zudem wurden sie nach ihrem eigenen Konsumverhalten befragt. Die ersten Ergebnisse dieser 2009 von der DAK in Auftrag gegebenen Untersuchung zeigten, dass Reklame als wichtiger Risikofaktor für den erhöhten Alkoholkonsum angesehen werden muss.



Die Werbeindustrie hat ein klares Ziel: Sie will neue Kunden gewinnen und diese möglichst lange an sich binden. Daher werden Life-Style-Elemente wie Mode und Musik für Alkohol-Werbung eingesetzt, um gezielt junge Menschen zu erreichen. Stimmungsbilder wie Urlaubszenen und Entspannung verharmlosen die Konsum. Auch wird Alkohol als unbedenklicher Energielieferant angepriesen. Daneben werde den Heranwachsenden durch Werbestrategien das Trinken als soziale Norm vermittelt, erklärt Raiser.



Unterschiede zur Tabakwerbung

Während die Tabakwerbung in Europa und Deutschland bereits stark eingeschränkt, dürfen Bier, Wein, Alcopops oder Schnaps ohne gesetzliche Einschränkungen angepriesen werden. Bisher gibt es lediglich die freiwillige Selbstregulierung der Werbewirtschaft.



Raiser fordert deshalb klare gesetzliche Vorgaben, um bestimmte Verstöße ahnden zu können. "Die freiwillige Kontrolle ist völlig unwirksam. Alkoholwerbung, die sich an junge Menschen richtet, sollte verboten sein. Ideal wäre ein generelles Alkoholwerbeverbot, denn ein positiver Zusammenhang von Alkoholwerbung und Alkoholkonsum ist wissenschaftlich erwiesen." Denkbar wäre es, die Inhalte zu regulieren sowie Restriktionen zur Platzierung von Alkoholreklame zu erstellen. In Frankreich schreibt das "Loi Evin" vor, dass sich Werbung für alkoholhaltige Getränke sich nur auf Produktinformationen beschränken darf.



Volker Nickel, Sprecher des ZAW, spricht sich dagegen strikt gegen gesetzliche Regelungen für Alkoholwerbung aus: "Weil sie am Verhalten der Menschen und an den Ursachen des Alkoholkonsums überhaupt nichts ändern. Der Einfluss der Werbung ist so minimal, dass man ihn vernachlässigen kann." Und bisher kann sich die deutsche Alkohollobby behaupten: Die Forderung, Alkoholwerbung zu verbieten oder einzuschränken, steht derzeit nicht zur Debatte.