Der Bahnhof im Vatikan öffnet ausnahmsweise für mehrere Stunden

Sonderfahrt des "Caritas Express"

"An Gleis eins hält Einzug der Caritas Express." Für die Sonderfahrt einer Dampflokomotive aus dem Jahr 1915 wird der kleine Vatikanbahnhof anlässlich des 60. Gründungsjubiläums der katholischen Hilfsorganisation am Samstag ausnahmsweise für wenige Stunden geöffnet.

Autor/in:
Bettina Gabbe
 (DR)

Caritas Internationalis will Fahrgäste auf dem Weg nach Orvieto zur Feier des Tages um eine Spende für das weltumspannende Netz aus Projekten bitten. Dafür dürfen die Reisenden in der ersten und zweiten Klasse die Fahrt im historischen Spezialzug genießen. Dabei können sie zwischendurch einen Blick in den präsidialen Luxuswaggon werfen, mit dem Papst Johannes XXIII. wenige Tage vor Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962 nach Assisi pilgerte.



Mit den Lateranverträgen legten der Heilige Stuhl und Italien 1929 nicht nur einen seit dem endgültigen Ende des Kirchenstaates von 1870 ungelösten Konflikt bei. Dem kleinen Staat jenseits der Altstadt auf der anderen Tiberseite wurde dabei zugleich die Anbindung an die damaligen Verkehrswege zugesichert. Aufgrund dieser Bestimmungen konnte der Machthaber von Simbabwe, Robert Mugabe, über Italien trotz Einreiseverbots in die Europäische Union zum Vatikan reisen, um am 1. Mai an der Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. teilzunehmen.



Für die tatsächlichen Erfordernisse überdimensioniert

Da für den Bau einer eigenen Landebahn auf dem Gebiet des Vatikanstaats kein Platz ist, garantiert Italien allen Gästen des Vatikans, die per Flugzeug ankommen, die Durchreise. Für einen eigenen Bahnhof im kleinsten Staat der Welt und mehrere hundert Meter Schienen sorgte der neu gegründete italienische Staat hingegen umgehend nach Unterzeichnung der Lateranverträge innerhalb von nur 18 Monaten Bauzeit. Das Bahnhofgebäude war ursprünglich für Repräsentationszwecke ausgelegt und damit von Anbeginn für die tatsächlichen Erfordernisse völlig überdimensioniert.



Über das 15 Meter hohe Viadukt, das den Bahnhof nach einem Tunnel im Vatikanhügel mit dem italienischen Schienennetz verbindet, fuhren seit der Einweihung des Bahnhofs nur wenige Züge. Zuletzt pilgerte Johannes Paul II. von hier aus mit Vertretern anderer Religionen 2002 zum gemeinsamen Friedensgebet nach Assisi.



Aus dem Bahnhof wurde ein Luxuskaufhaus

Da es ohnehin so gut wie nie für seinen ursprünglichen Zweck genutzt wurde, funktionierte die Vatikanverwaltung das Gebäude wenig später in ein Luxuskaufhaus um. Dort können Vatikanmitarbeiter und Angehörige der beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaften ebenso einkaufen wie im Supermarkt auf der anderen Seite des Petersdoms.



In dem nach dem lateinischen Wort für Nahrungsmittel "Annona" genannten Laden gibt es neben herkömmlichen italienischen Produkten auch Milch von den Kühen des päpstlichen Anwesens in Castel Gandolfo bei Rom. Das Kaufhaus trägt hingegen keinen eigenen Namen.



Der damalige Präsident des Vatikanstaats, Kardinal Edmund Szoka, ließ 2003 zwei Zwischendecken in die 19 Meter hohe Bahnhofshalle einziehen, um genügend Platz für Mode von Armani und Burberry bis Gucci und Prada zu schaffen. Wer über die in Rom heiß bekehrte Einkaufskarte für den Vatikan verfügt oder den Besitzer einer solchen begleiten darf, kauft hier gern auch Uhren, Elektronik, Tabakwaren und Spirituosen ohne Mehrwert- und Tabaksteuer.



Seit 2007 bietet das Kaufhaus in der ehemaligen Bahnhofshalle auch Priestermoden an. Bis dahin versorgten sich Kleriker in Rom ausschließlich in alteingesessenen Läden rund um den Vatikan und das Pantheon.