Jugendverbände diskutieren über die Zukunft der Kirche

60 Thesen für einen neuen Aufbruch

Mit einem "Thesenanschlag" frei nach Luther hat der Bund der Deutschen Katholischen Jugend seine Vorschläge zu Reformen in der Kirche präsentiert. Kein Aufstand, wie BDKJ-Chef Dirk Tänzler zuvor auch gegenüber domradio.de betonte. Die deutschen Bischöfe kritisieren die Aktion dennoch.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Die Reform steht auf wackeligen Füßen. Der Wind zerrt an den mannshohen Holzgerüsten mit den rund 60 Thesen zur Zukunft der katholischen Kirche. Auf einer Wiese im Bergischen Land, direkt vor dem berühmten Altenberger Dom, proben katholische Jugendliche - ja was eigentlich? Ein Aufstand ist es nicht, wie der Vorsitzende des Bundes der Katholischen Jugend (BDKJ), Dirk Tänzler, betont. Aber mit der Anspielung auf Martin Luther und seinen angeblichen Thesenanschlag an der Wittenberger Schlosskirche 1517 will der Dachverband, der die Interessen von rund 660.000 Kinder und Jugendlichen vertritt, an diesem gewittrig-schwülen Freitagnachmittag gleichwohl ein starkes Zeichen setzen.



"Ein Thesenanschlag ist alles andere als ein Dialog. Immer neue Forderungen in Maßnahmenkatalogen helfen uns in der gegenwärtigen Lage der Kirche nicht weiter", erklärte der Pressesprecher der Bischofskonferenz Matthias Kopp noch am selben Tag. Bestimmte Inhalte dieses Thesenanschlags seien mit der Lehre der Kirche unvereinbar. "Die Aktion des BDKJ ist weder hilfreich noch zielführend", so Kopp.



"Kein blinder Aktionismus"

"Es geht uns nicht um blinden Aktionismus, sondern darum, unsere Positionen zu erarbeiten", sagt Tänzler. Man wolle sich auf den von den Bischöfen angestoßenen Reformdialog vorbereiten. "Es ist Zeit, dass sich was tut." Bis Sonntag nutzen die rund 100 Delegierten aus den BDKJ-Mitgliedsverbänden die Gelegenheit, um über einen neuen Aufbruch in der Kirche zu diskutieren. Im Mittelpunkt der Hauptversammlung steht dabei ein Papier mit dem Arbeitstitel "Freiheit der Kinder Gottes - Altenberger Streitschrift". Wobei auch in diesem Fall die Sache mit dem Streit nicht allzu wörtlich zu nehmen ist, wie die Verantwortlichen betonen.



"Wir bringen unsere Sorge um die Kirche zum Ausdruck und geben zugleich ein Zeugnis unserer Hoffnung", heißt es etwas vorsichtig zu Beginn des Dokuments. Doch dann wird es durchaus deutlich. Die Autoren stellen eine "innerkirchliche Konfliktunfähigkeit" fest, beklagen eine "verbreitete Sprachlosigkeit" sowie "Frustration" und "Resignation" bei vielen Laien. Als konkrete Anliegen werden unter anderem genannt: Ehrenamtliches Engagement zu fördern und Frauen in der Gemeindeleitung stärker mit einzubeziehen.



"Auf keinen Fall wollen wir eine Spaltung provozieren"

Visionen? Die gibt es auch, wobei die Jugendvertreter sich um Realismus bemühen. Der Ruf nach Frauenpriestertum oder einer Abschaffung des Pflichtzölibats seien Themen, die außerhalb der Verfügungsgewalt der deutschen Ortskirche lägen, heißt es in dem Papier. Gleiches gelte für Fragen der Sexualmoral - obwohl die Streitschrift hierzu festhält: "Wenn ein Paar unverheiratet zusammenlebt, wenn ein Mensch nach einer gescheiterten Ehe eine neue Partnerschaft wagt oder wenn ein Mensch einen Menschen des gleichen Geschlechts liebt, dann verdient diese Liebe unseren Respekt und nicht unser Werturteil. Und dieser Respekt muss in einer dem Menschen zugewandten Seelsorge und Pastoral zum Ausdruck kommen."



Das Papier soll am Samstag verabschiedet werden. Die darauf fußenden Thesen stehen schon jetzt im Raum - und auf der Gerüstkonstruktion vor dem Altenberger Dom. Ob sie glauben, dass sich in der Kirche dadurch etwas ändert? Die Hoffnung ist auf jeden Fall da, sind sich Kathrin Jäger und Wolfgang Ehrenlechner einig. Die BDKJ-Diözesanvorsitzende aus Paderborn und der Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) aus dem Erzbistum München-Freising machen sich für eine stärkere Einbeziehung von Laien stark. Sie sehen den Dialog mit den Bischöfen als Chance. "Auf keinen Fall wollen wir eine Spaltung provozieren", betonen sie.  Sondern lediglich in der Kirche das leben, "was wir auch im Alltag leben", wie es sinngemäß auf einem der Thesenplakate vor dem Dom heißt.