Die Bundesregierung wirbt für den Freiwilligendienst

"Steilvorlage für Engagement"

Noch vor einem Monat berichtete domradio.de über das mangelnde Interesse am Bundesfreiwilligendienst. "Dass Bewerber ausbleiben ist schlicht eine Fehlmeldung", sagt nun der Parlamentarische Staatssekretär Hermann Kues – und erklärt, warum die Regierung an den Zivildienst-Nachfolger glaubt.

 (DR)

KNA: Herr Kues, ab 1. Juli startet der neue Bundesfreiwilligendienst, aber die Bewerber bleiben aus. Wird der neue Dienst ein Reinfall?

Kues: Nein, dass Bewerber ausbleiben ist schlicht eine Fehlmeldung, die sich hartnäckig hält. Im Gegenteil: 30.000 Zivildienstleistende haben freiwillig verlängert, und wir haben bereits mehr als 14.000 Bewerber für den neuen Bundesfreiwilligendienst. Und ich bin ganz sicher, dass diese Zahl noch erheblich ansteigen wird.



KNA: Viele Trägerverbände und Hilfsverbände klagen aber über sehr geringe Anmeldungen.

Kues: Ja, es gibt immer wieder Klagen. Aber es ist jetzt die Aufgabe der Träger, sich um Freiwillige zu bemühen. Die klugen Einrichtungen sind längst dabei. Die haben ihre Freiwilligen schon längst. Wer sich bislang nicht darum gekümmert hat, wird sich schwerer tun.



KNA: Es wird ebenfalls kritisiert, dass die Rahmenbedingungen nicht schnell genug festgelegt worden sind: Hat man die frühzeitige Umstellung verschlafen?

Kues: Ich halte diese Kritik für vollkommen unangemessen. Die Wohlfahrtsverbände sind alle längst informiert. Die Informationen kann jeder haben, auch im Internet. Das Gesetz ist außerdem mit ungeheurer Geschwindigkeit durch den Bundestag gegangen: im Verlauf von fünf Monaten, schneller geht es nicht und schneller ist bei einer so wichtigen Frage auch nicht angemessen. Ich bin auch der Meinung, dass sich diese kritischen Anfragen halten, weil sich einige nicht besser informieren. Ich kenne auch viele Beispiele, wo es überhaupt keine Probleme gibt: Die machen Öffentlichkeitsarbeit und sagen: "Alles ganz einfach. Meldet euch: Hier sind die Unterlagen". Wer heute noch klagt, verpennt einfach die Zeit.



KNA: Sie sehen also den Bundesfreiwilligendienst schon jetzt als einen Erfolg?

Kues: Ich glaube, dass er ein Erfolg wird. Der neue Freiwilligendienst ist ja auch für Frauen und Männer jeden Alters. Der neue Dienst wird auch in neuen Bereichen stattfinden: Integration, Sport und Kultur. Ich weiß, dass es ein großes Interesse gibt, in den neuen Bereichen freiwillig tätig zu werden. Dieses Potenzial muss eigentlich nur gehoben werden.



KNA: Gibt es überhaupt schon ältere Bewerber?

Kues: Natürlich gibt es noch keine aussagekräftigen Zahlen, da der freiwillige Dienst erst am 1. Juli beginnt. Darüber müssen wir mal einige Monate später reden. Aber wir wissen, dass es in den Orten, wo es Freiwilligenagenturen gibt, sich auch sehr viele ältere Menschen gemeldet und verpflichtet haben. Insofern gehe ich davon aus, dass es viele Ältere geben wird.



KNA: Warum haben Sie noch keine Zahlen über ältere Bewerber? Der Dienst beginnt erst am 1. Juli, aber für die Stellen muss man sich doch schon jetzt bewerben?

Kues: Ja, die Bewerbungen starten nicht erst am 1. Juli. Aber offiziell geht es erst dann los. Und schon jetzt ist es so, dass wir bereits 14.000 Bewerber haben. Auf ein ganzes Jahr bezogen, haben wir von 35.000 gesprochen. Wir können also erst 2012 sagen, ob es geklappt hat. Es wird jetzt pausenlos Bilanz gezogen, obwohl das noch gar nicht möglich ist. Meiner Ansicht nach ist der Bundesfreiwilligendienst eine Steilvorlage für bürgerschaftliches Engagement. Und wir dürfen diese Steilvorlage nun nicht verstolpern.



KNA: Zivildienstleistende waren in der Vergangenheit immer auch ein Reservoir für die sozialen Berufe. Diese Funktion geht jetzt verloren. Muss der Staat jetzt für Abhilfe sorgen?

Kues: Nein, das glaube ich nicht. Dafür gibt es keinen Ersatz. Der Zivildienst ist Ersatz für die Wehrpflicht. Das ist der Ausgangspunkt gewesen. Wer die Abschaffung der Wehrpflicht gefordert hat, muss das auch als logische Konsequenz einkalkulieren. Und wir wissen, dass es überhaupt kein Recht gibt, jungen Leuten ein Jahr Lebenszeit ohne eine hinreichende Begründung zu nehmen. Die Frage nach einem Pflichtdienst taucht auch immer wieder auf: Der ist im Grundgesetz nur begründet mit der Notwendigkeit der militärischen Verteidigung. Das ist hinfällig geworden. Wir werden ein alternatives Angebot mit dem Bundesfreiwilligendienst machen, der Zivildienst wird aber nicht völlig ausgeglichen. Die neue Landschaft der Freiwilligendienste muss sich jetzt erst entwickeln. Wir sind in einer Umbruchsituation und deswegen braucht man auch nicht alle 14 Tage Bilanz zu ziehen, wie viele jetzt schon dabei sind.



Das Gespräch führte Benedikt Angermeier.