Mit Rösler übernimmt ein Katholik den Vorsitz der FDP

Ein bekennender Christ

Mit Philipp Rösler als kommendem Vorsitzenden der FDP verbinden sich gleich mehrere "Premieren". Er ist mit 38 Jahren nicht nur der jüngste Chef seiner Partei, er ist auch der erste mit Migrationshintergrund. Und als bekennender Katholik stellt er eine Ausnahmeerscheinung an der Spitze der Liberalen dar: Erstmals steht ein Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) an der Spitze der Liberalen.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Der designierte Vize-Kanzler konnte - zumal in den vergangenen Tagen - unter Beweis stellen, dass sich ein verbindlicher und uneitler Grundton mit Durchsetzungskraft verbinden lässt. Sein persönliches Profil entspricht der künftigen Hauptaufgabe: Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen nach dem Wirbel um den Vorsitzenden Guido Westerwelle.



Rösler kam am 24. Februar 1973 in Vietnam zur Welt und verbrachte die ersten Monate in einem katholischen Waisenhaus. Mit neun Monaten wurde er von deutschen Eltern adoptiert und wuchs in Hamburg und Bückeburg auf. Nach der Trennung seiner Eltern blieb er bei seinem Vater, einem Fluglehrer der Bundeswehr. Später verpflichtete er sich selbst als Sanitätsoffiziersanwärter. Das Studium der Humanmedizin schloss er mit Promotion ab. Eine Facharztausbildung als Augenmediziner brach er aber ab, um sich ganz der Politik zu widmen.



Seine Blitzkarriere begann mit dem Eintritt in die FDP im Alter von 19 Jahren. Seit 2005 gehört er dem Parteipräsidium an. Zunächst Wirtschaftsminister in Niedersachsen, kam er nach der Bundestagswahl

2009 als Gesundheitsminister nach Berlin. Angela Merkel wollte das schwierige Ressort der FDP überlassen. Westerwelle, heißt es, drängte den Jungstar in das Amt. Mit dem neuen Parteiamt übernimmt er nun auch sein Wunschressort: das Wirtschaftsministerium.



Mit Rösler steht nicht nur ein Generationswechsel an. Die Partei könnte wieder stärker soziales Profil gewinnen. In seinem Positionspapier "Was uns fehlt" mahnte der damalige FDP-Fraktionschef von Niedersachsen seine Partei 2008, sich mehr um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu kümmern. "Viele Liberale haben Angst, das Wort Solidarität in dem Mund zu nehmen. Dabei ist Solidarität doch ein urliberaler Gedanke."



Als überzeugter Liberaler legt Rösler zugleich größtes Gewicht auf individuelle Freiheit und Eigenverantwortung und betrachtet den Versorgungsstaat skeptisch. So setzte er als Gesundheitsminister den Einstieg in die Kopfpauschale bei der Krankenversicherung durch. Für die Sozialverbände eine Todsünde wider den Sozialstaat. Allerdings: Ausgerechnet der erste FDP-Politiker an der Spitze des Ressorts legte sich mit der mächtigen Pharmaindustrie an und brach deren Preismonopol.



Demut im positiven Sinn

Röslers persönliches Wertesystem fußt eigenem Bekunden zufolge nicht zuletzt auf seinem Glauben. Zu diesem fand er als junger Arzt über seine Freundin und spätere Ehefrau, mit der er inzwischen zwei Kinder hat. Da sie bei der Erwachsenentaufe auch seine Patin war, bemerkt er im Scherz, dass er zu den wenigen gehöre, "die ihre Patentante geheiratet haben".



Für das ZdK-Mitglied hat der regelmäßige Kirchgang ganz praktische Auswirkungen: "Hier komme ich zur Ruhe, hier reflektiere ich. Man lernt auch so etwas wie Demut im positiven Sinn." Beim Thema Bioethik verlässt der Mediziner allerdings die katholische Linie: Er tritt für eine streng begrenzte Freigabe der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik ein.



Unter ihrem neuen Vorsitzenden dürfte sich das Verhältnis der FDP zu Kirchen und Religionsgemeinschaften weiter entspannen. Auch wenn Generalsekretär Christian Lindner zwischenzeitlich für Irritationen sorgte mit seinen "Sechs Thesen für ein republikanisches Weltbild", die eine Abkehr vom Leitbild des christlich-abendländischen Erbes propagierten. Nicht zuletzt beim "Netzwerk Christen in der FDP-Bundestagsfraktion" stieß das Papier auf heftige Kritik. Bei ihrem Amtsantritt hatten alle FDP-Bundesminister ihren Eid mit der Formel "So wahr mir Gott helfe" abgelegt. Bei der Übernahme des FDP-Vorsitzes ist das nicht Usus. Rösler wird den Zuspruch dennoch brauchen können.