Bistum Münster nimmt Bauern gegen Theologen-Kritik in Schutz

Streit um die geschundene Kreatur

2009 gründete der katholische Theologe und Biologe Rainer Hagencord das vom Bistum Münster getragene "Institut für Theologische Zoologie" - die erste Wissenschaftsstelle für theologische Tierforschung. Der Geistliche kämpft für eine ökologische Landwirtschaft und gegen eine Behandlung von Tieren als "Rohlinge der Fleischindustrie" - sehr zum Unbehagen der konventionellen Bauernschaft. Die bekommt nun Rückendeckung vom Bistum.

Autor/in:
Andreas Otto, Ralf Walter
 (DR)

Ein Artikel in einem Begleitheft zur Firmung hatte das Fass zum Überlaufen gebracht - und das für Hagencord zuständige Bistum Münster zum Einschreiten bewogen. In dem vom katholischen Bonifatiuswerk der Deutschen Katholiken herausgegebenen Firmbegleiter prangert Hagencord die Massentierhaltung an. So würden Schweine, Rinder und Schafe in "riesigen Fabrikanlagen auf dem Lande" gehalten. "Und welches Leben durfte das Schwein führen, dessen Fleisch den unnachahmlichen Geschmack des Burgers für einen Spottpreis ausmacht?", fragt der Theologe. "Es hat nie die Sonne gesehen, und seine einige Monate dauernde Existenz auf Spaltböden nennt die Industrie Fleischveredelung." Sein Ziel: Kinder und Jugendliche sollen sensibilisiert werden und sich beim Burgerkauf dessen Herkunft bewusst machen.



Der Artikel, den das Bonifatiuswerk zu einer konsumkritischen Auseinandersetzung der Jugendlichen in das Heft gehoben hat, stieß bei Landfrauen und dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) bitter auf. Sie beschwerten sich beim Münsteraner Bischof Felix Genn. WLV-Präsident Franz-Josef Möllers sprach von "radikalen Ansichten" sowie von unsachlicher und pauschaler Kritik, die von den Bauern als beleidigend empfunden würden. Auch sie wüssten, dass sie "Verantwortung für die Tiere als Mitgeschöpfe" trügen. Und: Viele Bauernfamilien im WLV seien Katholiken, fühlten sich aber in einer Kirche nicht mehr zu Hause, die die Verbreitung derartiger Thesen befördere oder zulasse.



Die Kritik blieb nicht ungehört. In Absprache mit Genn veröffentlichte sein Generalvikar Norbert Kleyboldt eine Erklärung, in der er eine "abwertende Beschreibung traditioneller bäuerlicher Produktionsweisen" ablehnt. Dies diene weder der Weiterentwicklung noch der Wertschätzung der Leistungen, die "in der gesamten Landwirtschaft für die Bewahrung der Schöpfung" erbracht würden.



Zudem kritisiert Kleyboldt jedwede "Polemik" und missbilligt eine grafisch als Todesanzeige dargestellte Statistik über die geschlachteten Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde und Hühner.



Text wird nicht wieder erscheinen

Unterdessen hat das Bonifatiuswerk die Verantwortung für die Gestaltung der Todesanzeige übernommen und diese aus dem auch online veröffentlichten Firmbegleiter zurückgezogen. Auch soll Hagencords Artikel in einer Neuauflage nicht mehr erscheinen. Allerdings kann der Text weiterhin im Internet nachgelesen werden. In dem Text habe es "in keiner Weise um eine Diskreditierung der traditionellen Landwirtschaft" gehen sollen, betont das Bonifatiuswerk in einer Erklärung. Allerdings sollte "sehr wohl eine bestimmte Form einer maßlosen, rein industriell-maschinell betriebenen Landwirtschaft" kritisch betrachtet werden.



Auch das Bistum ermutigt die Bauernschaft, das selbst gesetzte Ziel für bessere Haltungsbedingungen und gesunde Tiere weiter zu verfolgen. Zudem wird - sicher auch im Sinne Hagencords - an die Verantwortung der Verbraucher appelliert: "Das Prinzip "immer billiger" geht zu Lasten der Natur und der Tiere und letztlich auch zu Lasten der bäuerlichen Familien." Gleichwohl hält der Generalvikar fest, dass Hagencords Bewertungen "ausdrücklich nicht die Meinung des Bischofs und des Bistums sind". Allerdings dürfe der Theologe "für sich jenen akademischen, universitären Freiraum beanspruchen, der auch anderen Wissenschaftlern in ihren Meinungsäußerungen zugestanden wird".



Hagencord selbst bezeichnete auf Nachfrage die Reaktionen aus der Bauernschaft als "heftig". Zwar amputiere nicht jeder Landwirt Oberschnäbel von Puten oder mäste Hühner in einer Weise, dass Fleisch- und Knochenwachstum nicht mehr übereinstimmen. Gleichwohl gebe es solche Praktiken, über die er gerne diskutieren würde - mit der Bistumsleitung ebenso wie mit den Bauernverbänden.