Mordkomplott gegen den Papst bleibt weiter im Dunkeln

Vor 30 Jahren: Schüsse auf dem Petersplatz

Dreimal schoss der türkische Profikiller Ali Agca vor 30 Jahren aus vermeintlich todsicherer Distanz auf Johannes Paul II. Bis heute gehören die Hintergründe des Papstattentates zu den ungelösten Rätseln der Kriminalgeschichte.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Rom, Petersplatz, 13. Mai 1981, 17.20 Uhr. Papst Johannes Paul II. ist im offenen Jeep auf dem Weg zur Generalaudienz. Er segnet, grüßt, hat gerade ein Kind gestreichelt, das Eltern ihm entgegenhielten - als drei Schüsse fallen. Die weiße Soutane färbt sich rot, der Papst sackt zusammen, fällt in die Arme seines Privatsekretärs Stanislaw Dziwisz. Leibwächter werfen sich über den Schwerverletzten.



Im Wettlauf gegen die Zeit quält sich der Ambulanzwagen durch die römische Rushhour. In der Gemelli-Klinik versuchen Ärzte in fünfstündiger Operation, den Blutverlust zu stoppen und den zerfetzten Darm zusammenzunähen. Johannes Paul II. überlebt - dank seiner robusten Konstitution und mit himmlischer Unterstützung der Gottesmutter von Fatima, wie er bis zuletzt fest überzeugt war.



Dreimal schoss der türkische Profikiller Ali Agca aus vermeintlich todsicherer Distanz. Als Johannes Paul II. ihn Ende 1984 im Hochsicherheitsgefängnis Rebibbia besucht, beschäftigt ihn eigentlich nur die eine Frage: "Warum sind Sie nicht tot? Ich weiß, dass ich genau gezielt habe." Agca habe den Papst ausführlich nach der "mächtigen Göttin von Fatima" gefragt, die ihn offenbar außer Gefecht gesetzt habe, schreibt Dziwisz in seinen 2007 erschienenen Memoiren. Der Papst war sicher: Eine Hand habe geschossen, eine andere, eine "mütterliche Hand, hat die Flugbahn der Kugel geleitet" und ihm erlaubt, "an der Schwelle des Todes" stehenzubleiben.



Ungelöste Rätsel

Seit 30 Jahren gehören die Hintergründe des Papstattentates zu den ungelösten Rätseln der Kriminalgeschichte. Der damals 23- jährige Agca wurde noch in der Nähe des Tatorts gefasst, verurteilt, nach 17-jähriger Haft in Italien 2000 in der Türkei ausgeliefert - und vor einem Jahr freigelassen. Über seine Hintermänner und Helfershelfer, über Motive und Logistik tappt man bis heute im Dunkeln.



Schon 1979 vor dem Papstbesuch in Istanbul hatte Agca, der türkische Terrorist aus dem Umfeld der Grauen Wölfe, lauthals angekündigt, Johannes Paul II. töten zu wollen. Bei seinen Vernehmungen durch die italienische Justiz belastete er nun zunächst den bulgarischen Geheimdienst, dann auch den KGB. Bald verstrickte er sich in Widersprüche, legte falsche Spuren, versuchte offenbar, Verbindungslinien zu verwischen und Helfer zu schützen. Beim großen Prozess 1985/86 gegen die mutmaßlichen Hintermänner legte er mehr als 100 Versionen vor. Zeitweise zog er die islamistische Karte, dann gab er den wirren Einzeltäter, behauptete schließlich: "Ich bin Jesus Christus".



Bis heute spricht Vieles dafür, dass Agcas Auftraggeber aus dem Zentrum des kommunistischen Ostblocks kamen. In Moskau, Warschau, Sofia und Ostberlin sah man offenbar im polnischen Papst eine ernste Gefahr für das gesamte System. Dziwisz vertrat in seinen Memoiren die Ansicht, dass weder die türkische Mafia noch die Grauen Wölfe noch die Bulgaren hinter dem Komplott steckten, sondern der Moskauer KGB.



Das gescheiterte Attentat vom 13. Mai 1981 war auch ein mediales Thema rund um die Seligsprechung von Johannes Paul II. am 1. Mai. Zu den bewegenden Berichten von Zeitzeugen gehörte der der heute 32-jährigen Sara Bartoli. "Der Papst hielt mich auf dem Arm, als Ali Agca zielte", erzählte die in der Nähe von Rom lebende Frau dem "Corriere della Sera". Sie zeigte das Foto, wie Johannes Paul II. ein blondgelocktes Kind in den Arm des Vaters zurückreicht. Dieser Kinderkopf, der plötzlich im Sichtfeld vor dem Ziel erschien, habe den Attentäter wohl einen Moment irritiert. Und seine Schüsse waren nicht tödlich.