Neue Studie zur Religionsvermittlung in Kindertagesstätten

Wohnt Gott in der Kita?

"In Berlin heißt Gott Jesus, in Arabien heißt Gott Allah und in Thailand heißt Gott Buddha". Eine neue Studie zeigt: Kinder diskutieren schon in der Kita über Gott und Glauben. Prof. Albert Biesinger stellt weitere Ergebnisse der Studie "Interkulturelle und interreligiöse Bildung in Kindertagesstätten" der Universität Tübingen im domradio.de-Interview vor.

 (DR)

domradio.de: Guten Tag Herr Professor Biesinger, welche Ergebnisse konnten Sie heute vorstellen?--
Professor Biesinger: Also ein ganz wichtiges Ergebnis ist, dass hinsichtlich der interreligiösen Bildung, also wenn es darum geht, die christlichen Kinder bei der religiösen Verständigung mit muslimischen Kinder zu unterstützen, viele Erzieher/-innen sagen: Wir haben dafür keine Kompetenz. Wir wissen nicht, wie das gehen soll. Dementsprechend ist auch die Zahl der Erzieher/-innen sehr gering, die dies überhaupt tun. In der Gesamtschau kann man also sagen: Auch die kommunalen Kitas sind, obwohl sie ja schon viel länger mit muslimischen Kindern zu tun haben, im Bereich der interreligiösen Bildung nicht gut aufgestellt. Von daher gesehen ist es sehr wichtig, dass wir angesichts solcher Forschungsergebnisse weiter überlegen, wie man die Situation ändern kann. Weil, wie Sie zu Recht gesagt haben, die Kinder ein Recht auf Religion haben, die Kinder wollen religiöse Fragen beantwortet haben. Manchmal sagen ja auch die Eltern: Hilfe, mein Kind ist fromm! So gesehen stellt sich die Frage, wie wir Kinder kompetenter begleiten können, sehr intensiv.

domradio.de: Habe ich das richtig verstanden: Die konfessionellen Kindergärten schneiden bei der Studie deutlich besser ab, was den interreligiösen Dialog angeht?--
Biesinger: Sie schneiden etwas besser ab, aber auch nicht so, dass wir zufrieden sein können. Es ist eben so, dass eine heiß umkämpfte Debatte vor allem in den kommunalen Kitas tobt, weil es dort einen Strang in der Argumentation gibt, der behauptet: Das führt nur zu Konflikten, da halten wir uns besser ’raus. Gott hat da nichts zu suchen. Und damit würde man die Kinder ja religiös verwahrlosen und im Regen stehen lassen. Aber Sie haben völlig Recht: Es ist auch für die konfessionellen Kitas eine Herausforderung. Katholische und evangelische Kitas sind zwar ziemlich gut im Bereich der religiösen Erziehung, das nehmen sie ziemlich ernst, also Weihnachten, religiöse Rituale, Ostern oder Nikolaus und so weiter. Aber auch die Erzieher/-innen in den konfessionellen Kitas sagen: Wir haben dafür keine Ausbildung, wir wissen nicht, wie das genau gehen soll, wir sind eher ratlos. Und da muss dringend etwas geändert werden.

domradio.de: Das heißt dann eine entsprechende Ausbildung für Erzieher/-innen?--
Biesinger: Richtig. Also in der Ausbildung der Erzieher/-innen müsste dringend ein Modul integriert werden, wie der interreligiöse Dialog zwischen christlichen Kindern und muslimischen Kindern, weil letztere die größte nicht christliche Gruppe darstellen, aber eben auch der Dialog mit jüdischen Kindern und mit Kindern ohne religiöses Bekenntnis konstruktiv geführt werden kann. Man muss sagen: Für die Zukunft der Ausbildung gibt es viele Möglichkeiten, um es einmal positiv zu formulieren.

domradio.de: Oder kommt die Studie vielmehr zu dem Ergebnis, es müsse verschiedene Kindergärten für verschiedene Religionen geben?--
Biesinger: Nein, dass nicht unbedingt, obwohl uns ein muslimischer Theologe auf dem Symposium auch gesagt hat, dass er auch muslimische Kitas für wichtig halte. Ich halte das für sehr logisch, dass das eben auch möglich ist. Aber ich habe ihn auch gefragt, ob eine solche muslimische Kita dann auch christliche Kinder aufnehmen würde, weil unsere katholischen Litas ja auch muslimische Kinder aufnehmen. Dann war seine Antwort: Natürlich würde das der Fall sein, aber er würde vermuten, dass christliche Eltern ihre Kinder kaum in eine solche Kita schicken würden. Daran sieht man auch wieder, welche gegenseitigen Einschätzung in der Gesellschaft herrschen.

domradio.de: Wird nach diesen Ergebnissen weiter geforscht?--
Biesinger: Im Dezember sollen wir in Berlin der Politik konkrete Veränderungsvorschläge vorstellen, damit sich was ändern kann und damit die Erzieher/-innen nicht weiter überfordert werden, indem von ihnen verlangt wird: Das und das und das müsst Ihr noch machen. Ohne dass man ihnen einen konkreten Weg zeigt, wie es gehen soll. Aber ein Ärgernis haben wir auf dem Symposium heftig diskutiert: Es gibt auch große Städte, in denen es verboten ist, in der Kita über Gott zu sprechen. Und das kann ja wohl nicht sein, auch die Kinder in solchen Städten haben ein Recht auf Religion Und wenn man von den Kindern her denkt, dann sind diese ideologischen Auseinandersetzungen völlig unnütz und man betrügt diese Kinder um etwas Wesentliches, nämliche um ihre Fragen nach Gott und vor allem auch um ihre spirituelle Begleitung. Übrigens vielleicht auch noch erwähnenswert: Diese Studie wurde von der Stiftung Ravensburger Verlag unterstützt.



Interview: Tommy Millhome