Bischöfe kritisieren Merkels Begeisterung über bin-Laden-Tod

Auch ein Terrorfürst hat Menschenwürde

Militärbischof Franz-Josef Overbeck hat Äußerungen der Freude über den Tod des Terroristen Osama bin Laden kritisiert. "Man kann sich als Mensch und erst recht nicht als Christ über den Tod eines Menschen freuen", sagte der Ruhrbischof. Das gelte auch, wenn er ein Gewalttäter war. Triers Bischof Ackermann äußerte sich ähnlich.

 (DR)

Im Interview der Zeitungen der Essener WAZ-Gruppe erklärte Overbeck, die Würde eines Menschen sei immer zu achten. Die Kirche, sagte er, werde eine solche Form der Tötung niemals gutheißen. Sie werde immer daran erinnern, dass es auch bei Tyrannen eine strenge ethische Abwägung geben müsse. "Es wäre besser gewesen, wenn sich bin Laden vor einem Gericht seiner Verantwortung gestellt hätte", so Overbeck weiter.



Justitia et Pax, eine Kommission der katholischen Kirche zu sozialethischen Fragen, sieht die Freude über den Tod von Terrorchef Osama bin Laden kritisch. Auch wenn der Einsatz militärischer Gewalt aus ethischer Sicht im Extremfall bejaht werden könne, so erscheine es doch befremdlich, wenn der Tod von Menschen bejubelt werde, sagte der Vorsitzende der Deutschen Kommission von Justitia et Pax, Bischof Stephan Ackermann, in Trier.



Kampf gegen den Terrorismus nicht beendet

Die Genugtuung der Amerikaner könne er zwar verstehen, denn sie wären "in besonderer Weise Zielscheibe des Terrorismus von Al Kaida geworden". Der Gerechtigkeit wäre aber mehr Genüge getan worden, wenn bin Laden vor Gericht gekommen wäre. Mit dem Tod des El-Kaida-Chefs sei der Kampf gegen den Terrorismus nicht beendet. Zugleich betonte der Trierer Bischof, dass auch in diesem Kampf nicht gegen bestimmte Grundsätze verstoßen werden dürfe. So präge "der Respekt vor der Menschenwürde durch die Bindung an die Menschenrechte" eine freiheitlichen Gesellschaft.



Bin Laden und andere Terroristen schüren nach Ansichten des Bischofs religiöse Konflikte, indem sie Gegensätze kultureller oder religiöser Traditionen für ihre Zwecke instrumentalisieren. Deswegen hätten Kirchen und andere Religionsgemeinschaften die Aufgabe, sich deutlich von der Gewaltbereitschaft in Religionen zu distanzieren. Christen und Vertreter anderer Religionen müssten gemeinsam deutlich machen, dass ein religiös begründeter Aufruf zu Feindschaft und Hass sich nicht auf Glaubenswahrheiten berufen könne.



Bundeskanzlerin Merkel hatte sich am Montag erfreut gezeigt, dass es gelungen sei, bin Laden zu töten. Über diese Reaktion hatten sich am Dienstag auch Vertreter von Friedensinitiativen und weitere Kirchenvertreter befremdet geäußert, darunter auch der Vorsitzende der evangelischen Kirche, Präses Nikolaus Schneider: "Über einen konkreten Tod kann man nicht jubeln" .



Auch die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU), ging zu den Äußerungen der CDU-Vorsitzenden Merkel auf Distanz. "Aus christlicher Sicht ist es sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern", sagte die Politikerin, die dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angehört, der "Berliner Zeitung".



Thierse: Kein Triumphgefühl

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hält ebenfalls nichts von überschwänglicher Freude über die Tötung Osama bin Ladens. Über den Tod des Terroristen sei er zwar erleichtert, empfinde aber kein Triumphgefühl darüber wie viele Amerikaner, sagte Thierse am Dienstagabend in Saarbrücken. "Uns Deutschen ist hoffentlich jede Feier von militärischen Erfolgen vergangen", fügte er hinzu.



In der Frage, ob die Tötung Bin Ladens durch US-Elitesoldaten mit einer christlichen Überzeugung vereinbar ist, wollte sich Thierse nicht festlegen. "Ein ganz einfaches Urteil zu fällen, fällt mir schwer", sagte er bei einer Veranstaltung des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD, zu deren Sprechern er gehört. "Ich glaube, dass es überhaupt keine politische Entscheidung gibt, von der man sagen kann, sie ist christlich", betonte der Bundestagsvizepräsident. Im Evangelium stünden keine politischen Anweisungen.



Göring-Eckardt: Über seinen Tod kann man sich nicht freuen

"Als Christin kann ich nur sagen, dass es kein Grund zum Feiern ist, wenn jemand gezielt getötet wird", sagte Katrin Göring-Eckardt der "Berliner Zeitung" (Mittwochsausgabe). Die Grünen-Politikerin ist Bundestagsvizepräsidentin und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Man kann sich darüber freuen, dass Osama bin Laden nicht mehr als Anführer der Terroristen tätig sein kann. Aber über seinen Tod kann man sich nicht freuen." Es könne nicht die erste Absicht sein, jemanden zu töten, egal, wie schlimm er gehandelt habe, sagte die Grünen-Politikerin, die Anfang Juni als Präsidentin dem diesjährigen evangelischen Kirchentag in Dresden vorsteht.



Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), sagte der "Passauer Neuen Presse" (Mittwochsausgabe): "Ich hätte es so nicht formuliert. Das sind Rachegedanken, die man nicht hegen sollte. Das ist Mittelalter."



Der westfälische Präses Alfred Buß hatte auch die Tötung bin Ladens selbst kritisiert. Gewalt anzuwenden, um Gewalt aus der Welt zu schaffen, sei eine verhängnisvolle Logik, sagte Buß der in Bielefeld erscheinenden "Neuen Westfälischen". Er bezweifele, dass der Tod bin Ladens die Welt friedlicher mache.



Westerwelle: Wir müssen aufpassen

Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte vor überzogenen Freudenreaktionen des Westens. In der "Welt" (Mittwoch) rief Westerwelle zugleich zu mehr Respekt vor dem Islam auf. Es gelte, religiöse Kulturen zu achten. Weiter sagte Westerwelle: "Wir müssen aufpassen, dass wir mit unseren Reaktionen im Westen - bei allem Verständnis über die Erleichterung - nicht Bilder in die Welt senden, die wiederum nur zu einer Aufstachelung oder Heroisierung Al Kaidas beitragen."



Ausdrücklich verurteilte der Außenminister die von radikalen Islamgegnern vorgenommenen Koranverbrennungen. Westerwelle wörtlich:  "Wenn verirrte Menschen im Westen in ihrem religiösen Fanatismus den Koran verbrennen, dann ist das etwas, was ich nicht nur persönlich verabscheue. Das bleibt auch politisch nicht ohne Wirkungen, weil es den radikalen Kräften hilft."