Liquidierung Bin Ladens ohne sofortigen Folgen für die Anti-Terrostrategie

"Höchste Wachsamkeit"

Nach der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden mahnt die Bundesregierung zur Vorsicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Guido Westerwelle riefen am Montag zu fortgesetzter Wachsamkeit auf.

 (DR)

Merkel warnte vor Nachlässigkeit. Die "Kräfte des Friedens" hätten einen Erfolg errungen, besiegt sei der internationale Terrorismus damit allerdings noch nicht. "Wir alle werden wachsam bleiben müssen", sagte sie. Zugleich äußerte sie sich erleichtert über den Tod bin Ladens. Dieser sei verantwortlich gewesen für den Tod tausender unschuldiger Menschen.



Westerwelle schloss nicht aus, dass Vergeltungsschläge der Terroristen drohen könnten. Eine wehrhafte Demokratie sei deshalb umso wichtiger. "Wir müssen weiter wachsam sein", sagte er. Auch am Afghanistaneinsatz der Bundeswehr hält Westerwelle fest. Ziel sei es, zu verhindern, dass dort wieder ein Rückzugsgebiet für Terrorismus entstehe. Das diene auch direkt dem Schutz der Bürger in Deutschland.



Ischinger: Eher keine Vergeltungsschläge in Deutschland

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz und ehemalige deutsche Botschafter in Washington, Wolfgang Ischinger, rechnet damit, dass Al-Kaida versuchen werde, sich an den Amerikanern und der pakistanischen Regierung zu rächen. Dies werde aber "eher nicht" in Deutschland geschehen, sondern anderorts auf der Welt, "dort, wo vielleicht amerikanische Streitkräfte verwundbar sein könnten". Ob Al-Kaida tatsächlich durch den Verlust geschwächt werde, müsse man erst sehen.



Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, schloss nicht aus, "dass die verschiedenen Terrornetzwerke den Tod bin Ladens rächen wollen". Witthaut hob hervor, dass das ursprünglich von bin Laden begründete Terrornetz seit langem dezentral funktioniere. Aktionsfähige Gruppen gebe es in vielen Ländern. Er appellierte an die Politik, jede politische und gesetzliche Unterstützung zu gewähren, damit die Polizei die Sicherheit der Bürger gewährleisten könne. Er verwies auf die jüngsten Festnahmen von Al-Kaida-Verdächtigen am Freitag und plädierte für eine Verlängerung der Sicherheitsgesetze, die Ende 2011 eigentlich auslaufen sollten.



Weiter Streit um Anti-Terror-Gesetz

Die FDP will diese allerdings nicht pauschal verlängern. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sagte am Sonntagabend, vor Bekanntwerden des Todes bin Ladens, in der ARD: "Es wird mit Sicherheit keine pauschale Verlängerung dieser Anti-Terror-Gesetze geben. Wir müssen dort jede einzelne Maßnahme uns mal anschauen." Es gebe Maßnahmen, die sich bewährt hätten und es gebe Maßnahmen, die nie angewendet worden seien.



Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich erneuerte unterdessen seine Forderung nach einer Verlängerung der Gesetze, signalisierte aber zugleich Kompromissbereitschaft gegenüber der FDP. "Zwei externe Gutachter haben die bestehenden Anti-Terror-Gesetze geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen: Das Gros der Vorschriften ist sinnvoll und wird von den Behörden maßvoll eingesetzt", sagte der CSU-Politiker der "Financial Times Deutschland".



Fast zehn Jahre nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington hatte US-Präsident Barack Obama den Tod von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden am frühen Montagmorgen deutscher Zeit bekannt gegeben. Ein US-Team habe den Angriff am Sonntag ausgeführt und sich der sterblichen Überreste bin Ladens bemächtigt, sagte der Präsident in einer kurzfristig anberaumten Rede im Weißen Haus. "Der Gerechtigkeit ist Genüge getan worden", sagte Obama.



Die Vereinigten Staaten beschuldigten den Al-Kaida-Chef zahlreicher terroristischer Anschläge und setzten ein Kopfgeld in Millionenhöhe auf ihn aus. Am 11. September 2001 hatten Al-Kaida-Terroristen insgesamt vier Passagierflugzeuge gekapert: zwei wurden in die Zwillingstürme des World Trade Centers und eines ins Pentagon gelenkt. Eine vierte entführte Maschine stürzte bei Shanksville im US-Staat Pennsylvania ab. Dort kamen 40 Menschen ums Leben. Im Pentagon waren es 184 Tote, in New York 2.752.