Eine kleine Kulturgeschichte der Fußwaschung

Fremde Füße

Der Papst macht's, das greise Kindermädchen von Odysseus hat's getan und Bayernkönig Maximilian I. auch: fremde Füße waschen. Alljährlich zu Gründonnerstag wäscht Benedikt XVI. die Füße von zwölf Priestern, so wie es Jesus im Abendmahlssaal an seinen Jüngern vollzog. domradio.de überträgt ab 20 Uhr die Feier vom letzten Abendmahl aus dem Kölner Dom mit Kardinal Meisner live in Bild und Ton.

Autor/in:
Burkhard Jürgens und Joachim Heinz
Fußwaschung an Gründonnerstag (KNA)
Fußwaschung an Gründonnerstag / ( KNA )

Die erste Fußwaschung von Weltrang überliefert Homer: Odysseus, den Staub von 20 Jahren Krieg und Irrfahrt an den Sohlen, kehrt als Bettler getarnt in sein Haus zurück, das prassende Freier belagern. Gattin Penelope trägt der alten Dienerin Eurykleia auf, dem Fremden die Füße zu waschen, und sie erkennt an einer Narbe ihren ehemals jungen Herrn. Die Rache an den Freiern nimmt ihren Gang, alles wird gut.



Füße waschen war in der Antike Sklavensache

Füße waschen war in der Antike Sklavensache. Roms Kaiser Caligula gab seiner Verachtung für die Senatoren dadurch Ausdruck, dass er die Würdenträger mit Schürzchen und Handtuch zu Tisch bat. Weniger gehässig, aber ebenfalls als Zeichen der Geringachtung heißt es in den Psalmen, dass Gott das verfeindete Nachbarland Israels zum "Waschbecken für seine Füße" macht.



Auch das Handeln Jesu an seinen Jüngern war in dem Sinn Sklavendienst und Ehrfurchtserweis. Daher die bestürzte Abwehr des Petrus: "Niemals sollst du mir die Füße waschen!" Der Evangelist Johannes, der diese Episode als einziger überliefert, erzählt die Begebenheit an der Stelle, an der die anderen drei Evangelien die Einsetzung des Abendmahls berichten. Das ist ein Schlüssel zur Deutung: Die Fußwaschung symbolisiert die gleiche dienende Liebe Jesu wie die zeichenhafte Selbsthingabe in Brot und Wein. Trotzdem rätselten Theologen lange Zeit, welche Lehren daraus zu ziehen seien.



Erst der Mailänder Bischof Ambrosius (339-397) sah die Fußwaschung als eine Art Sakrament: Er ließ sie während der Tauffeiern praktizieren und begründete den Ritus mit einem Verweis auf die Sündenfallgeschichte des Alten Testaments: Der Körperteil, nach dem die böse Schlange schnappt, nämlich die Ferse, muss von der Sünde gereinigt werden. Rom schloss sich dieser Deutung nicht an, und Ambrosius bekannte freimütig, dass er in diesem Punkt "den Gehorsam verweigert".



Gebot der Demut

Als Gebot der Demut hielt die Fußwaschung dennoch zögerlich in Kirchen und Klöstern Einzug. Wer am Gründonnerstag Fremden diesen Dienst verweigere, begehe eine schwere Sünde, urteilte Erzbischof Caesarius von Arles (um 470-542). Eine Synode von Toledo ordnete 694 an, dass Bischöfe ihren Mitbrüdern die Füße waschen und sie bewirten sollten. Die Strafsanktion für Nichtbefolgung - zwei Monate Exkommunikation - lässt durchblicken, dass die Kirchenoberen der Anregung eher widerwillig folgten.



Doch spätestens seit dem Hochmittelalter gilt die Feststellung des Münsteraner Kirchenhistorikers Arnold Angenendt: "Das Gebot der Fußwaschung - vielfach nur kurz mandatum genannt - hat auf vielfältige Weise Gehör gefunden." Und das keineswegs nur im klerikalen Umfeld. So führte Kaiser Karl V. im Deutschen Reich zu Reformationszeiten diesen Brauch ein. Andere Herrscherhäuser griffen ebenfalls darauf zurück. Im Englischen verdankt der Gründonnerstag der Fußwaschung sogar seinen Namen: "Maundy Thursday" leitet sich von dem Deutewort Jesu her: "mandatum novum do vobis" - "Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander!"



In Bayern kamen jedes Jahr zwölf der ältesten Bewohner des Königreichs - ausgewählt durch den Oberhofmeisterstab - in den Genuss einer Fußwaschung durch den amtierenden Monarchen. Die Nächstenliebe hatte allerdings Grenzen: Den Anmeldungen musste unter anderem ein amtsärztliches Zeugnis über die "Rüstigkeit des Gesuchstellers" beiliegen, mit dem bescheinigt werden sollte, "dass derselbe mit keinem Fußleiden behaftet ist". Hausierer Anton Adner scheint alten Chroniken zufolge alle Vorgaben erfüllt zu haben. Er nahm im gesegneten Alter von 113 und 114 Jahren gleich zweimal an der Zeremonie teil. Und soll bei dieser Gelegenheit sogar noch den Turm der Münchner Frauenkirche bestiegen haben.