Der Autor Püttmann zur Osterstudie

"Gesamttrend der Entchristlichung"

Ostern ist für immer weniger Menschen ein Kirchenfest, das geht aus einer aktuellen Studie hervor. Die Zahlen fügen sich "in den Gesamttrend der Entchristlichung ein", sagt im Interview mit domradio.de Dr. Andreas Püttmann, Autor des Buchs "Gesellschaft ohne Gott: Risiken und Nebenwirkungen der Entchristlichung Deutschlands".

 (DR)

domradio.de: Guten Tag Herr Püttmann! Sie sind gerade irgendwo zwischen München und Bonn unterwegs. Sind Sie auf dem Weg in den Osterurlaub?

Andreas Püttmann: Nein, aus dem Osterurlaub zurück. Sie haben gleich ins Schwarze getroffen: Das war ein Kurzurlaub - ich hatte einen Vortrag in Süddeutschland und habe dann einige Tage Urlaub am Tegernsee drangehängt. Und jetzt bin ich auf dem Rückweg ins Erzbistum Köln.



domradio.de: Warum, glauben Sie, ist die Bedeutung von Ostern bei der Mehrzahl der Deutschen weitgehend verlorengegangen?

Püttmann: Das fügt sich in den Gesamttrend der Entchristlichung ein: Nur noch etwa die Hälfte der Deutschen glaubt an Gott oder fühlt sich selbst als religiöser Mensch. Und dementsprechend sind ja die Kirchenbesucherzahlen drastisch zurückgegangen, wir haben ja nur noch etwa 12% katholische Gottesdienstbesucher und 3-4% evangelische. Und die Zahlen, die jetzt hier veröffentlicht wurden, dass 14% sicher einen Ostergottesdienst besuchen werden und ein Viertel der Deutschen darüber nachdenkt, das läuft immer noch darauf hinaus, dass deutlich mehr Leute an Ostern in die Kirche gehen als an normalen Sonntagen. Aber insgesamt ist es natürlich ein Armutszeugnis in einer Gesellschaft, in der sich noch zwei Drittel Christen nennen.



domradio.de: Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz verbucht das als Erfolg, dass mehr Leute an Ostern in die Kirche gehen als an einem normalen Sonntag. Ist das nicht ein Hoffungszeichen, dass Liturgie trägt?

Püttmann: Es ist übrigens so, dass über 60% der Deutschen, die im letzten Jahr mindestens einmal an einem Gottesdienst teilgenommen haben, berichten, dass sie sich dadurch angesprochen fühlten. Und über 40% sprechen sogar von "ergreifenden Momenten". Das heißt also, die Berichte von den Gottesdiensten, die man wirklich erlebt hat, sind gar nicht so schlecht. Und ich muss auch dem Pressesprecher einigermaßen zustimmen: Wenn man von dem Viertel, die noch nicht wissen, ob sie zum Gottesdienst gehen werden, etwa die Hälfte als sichere Oster-Gottesdienstbesucher annimmt, dann haben Sie schon doppelt so viel Kirchenbesucher wie an einem normalen Sonntag und das ist ein relativer Erfolg, auch wenn es hinter der Quote von Weihnachten natürlich deutlich zurückbleibt. Obwohl Ostern ja das höchste Fest der Christenheit ist.



domradio.de: Ist Ostern den Menschen denn vielleicht auch gar nicht klar, dass das der höchste Feiertag der Christen ist?

Püttmann: Ja, das ist ein spannender Befund des Allensbacher Instituts. Da wurde, allerdings schon 2005, bei Ostern und bei Weihnachten gefragt: Ist das Für Sie eigentlich in erster Linie ein religiöses Fest oder ein Brauchtum, bei dem man nicht so sehr an Religion denkt. Bei Weihnachten war es so, dass 38% es als ein religiöses Fest sahen und 54% sprachen von Brauchtum; bei Ostern sahen es sogar 42% in erster Linie als ein religiöses Fest. Das heißt im Vergleich zu Weihnachten, wo ja viel mehr Leute in die Kirche gehen, wird Ostern im Bewusstsein der Bevölkerung sogar noch etwas stärker als religiöses Fest identifiziert. Insofern darf man sich auch von den Gottesdiensten an Weihnachten nicht täuschen lassen: Für viele gehört einfach der Gottesdienstbesuch zum Brauchtum dazu, und es ist durchaus noch so, dass Ostern von einer knappen Hälfte der Deutschen als religiöses Fest identifiziert wird.



domradio.de: Es scheint ja so, dass man als Kirche an die Lebenswirklichkeit vieler Menschen nicht mehr herankommt. Stimmt das?

Püttmann: Tja, was bedeutet "an die Lebenswirklichkeit herankommen"? Also die Kirche ist ja kein Wirtschaftsunternehmen, das das Angebot ändert, wenn die Nachfrage ausbleibt. Man könnte ja auch die Frage stellen: Kommen die Leute noch an das heran, was die Kirche ihnen zu bieten hat. Die Kirche kann ja nicht, wie es die Frage ein bisschen suggeriert, immer den Leuten hinterherlaufen. Ich denke, dass die Kirche eine Menge Antworten für viele Lebenssituationen hat. Das sieht man in der Glaubensdemoskopie daran, dass kirchennahe Menschen ihr Leben weniger als sinnlos empfinden und sich häufiger glücklich in ihrem Leben fühlen. Und das wäre ja nicht der Fall, wenn die Kirche keine Antworten auf die Fragen hätte. Allerdings findet die Kirche sich in einem wachsenden Kontrast zu den gängigen Wertvorstellungen, aber diese Kluft kann man nicht einfach dadurch überbrücken, dass man sich anpasst.



domradio.de: Was kann man tun, um diesen Trend eines stetig wachsenden Grabens zwischen der Mehrzahl der Menschen von heute und dem religiösen Leben, das die Kirchen repräsentieren, in irgendeiner Form aufzuhalten bzw. umzukehren?

Püttmann: Selbstverständlich kann man das tun! Ich gebe Ihnen eine allgemeine und eine konkrete Antwort. Die allgemeine Antwort aus dem Stuttgarter Schuldbekenntnis der EKD von 1945: Mutiger bekennen, treuer beten, fröhlicher glauben und brennender lieben. Und die konkrete Antwort, was Ostern betrifft: Die Auferstehungshoffnung muss wieder offensive verkündet werden. Jahrzehntelang haben beide Kirchen versucht, das herunterzubrechen auf einen diesseitigen Horizont. Ich erinnere mich an manche Liedzeilen aus Jugendmessen: Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung, Stunden werden eingeschmolzen und ein Glück ist da. Also so einfach darf man es sich natürlich nicht machen. Es muss wirklich wieder nach Paulus der Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens erklärt werden, regelrecht theologisch den Leuten erläutert werden, damit sie mit dem Fest Ostern überhaupt wieder etwas anzufangen wissen