Bundestag befasst sich am Donnerstag in Erster Lesung mit PID

Eine Richtungsentscheidung

Nach vielen Monaten der Positionierung der Lager will sich am Donnerstag der Bundestag endlich mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) befassen. Nicht nur die katholische Kirche, die die PID grundsätzliche ablehnt, erwartet am Ende der Debatte eine Richtungsentscheidung zur Bewertung des menschlichen Lebens.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

"Wir haben das erste Mal die Situation, wo am Anfang eine Entscheidung steht, welches Leben lebenswert ist und welches nicht." Für die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) steht das Parlament beim Thema Gentests an Embryonen vor einer grundlegenden Richtungsentscheidung. Bei dieser Methode können Mediziner Embryonen im Reagenzglas auf bestimmte Eigenschaften prüfen, etwa genetische Schäden, Erbkrankheiten oder auch das Geschlecht. Die PID galt in Deutschland bisher als verboten. Der Bundesgerichtshof entschied aber im vergangenen Juli überraschend, dass dies nicht generell zutrifft. Damit ist der Gesetzgeber gefordert.



Zweieinhalb Stunden wollen sich die Abgeordneten Zeit nehmen, um über drei Gesetzesanträge zu debattieren. Da das Thema ethisch brisant ist, gibt es keinen Fraktionszwang. So tragen Abgeordnete unterschiedlicher Parteien die jeweiligen Anträge. Sie haben bereits vorab um Zustimmung für ihre Gesetzesanträge bei anderen Abgeordneten geworben, nicht zuletzt, da sich an der Anzahl der Unterstützer die Redezeit bemisst.



Einstieg in ein Screening

Die Vertreter eines strikten Verbots um die Abgeordneten Johannes Singhammer (CSU), Ulla Schmidt und Katrin Göring-Eckhardt (Grüne) konnten nach Informationen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) rund 190 Unterstützer für ihren Antrag finden. Mit knapp über

200 Unterschriften liegt die Gruppe einer weitergehenden Zulassung der PID um die Abgeordneten Peter Hintze (CDU) und Ulrike Flach (FDP) leicht vorne. Sie strebt eine Zulassung der Methode bei Paaren an, die mit "hoher Wahrscheinlichkeit" eine schwere Krankheit vererben können. Außerdem soll PID zur Feststellung einer schweren Schädigung des Embryos erlaubt sein, "die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird". Hier sehen Kritiker bereits den Einstieg in ein Screening.



Der etwas restriktivere Entwurf der Abgeordneten um Rene Röspel (SPD), Norbert Lammert (CDU) und Priska Hinz (Grüne) will die Diagnostik nur für Eltern zulassen, deren Nachkommen aufgrund einer genetischen Disposition "mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Schädigung des Embryos, Fötus oder Kindes zur Folge hat, die zur Tot- oder Fehlgeburt oder zum Tod im ersten Lebensjahr führen kann".  Dieser Antrag, der zunächst als Kompromiss verstanden wurde, kam mit rund 35 Unterzeichnern aber nur knapp über das Quorum.



Uneingeschränktes Lebensrecht des Embryos

Die Befürworter einer begrenzten Zulassung führen somit vor allem mögliches Leid erblich vorbelasteter Eltern ins Feld. Die Verbotsbefürworter machen demgegenüber das uneingeschränkte Lebensrecht des Embryos geltend. "Die Entscheidung, einen gezielt nach bestimmten Kriterien ausgewählten Embryo einzupflanzen, berührt die Würde des Menschen", heißt es im Gesetzesantrag. Auch die katholische Kirche stützt diese Position, während es unter Protestanten unterschiedliche Meinungen gibt.



Insgesamt geht es nach Schätzungen der Befürworter der Gentests um etwa 200 Fälle pro Jahr. Allerdings führt die PID in nur 20 Prozent der Fällen zum Erfolg und bietet keinerlei Garantie für ein gesundes Kind. Problematisch ist zudem der hohe Bedarf an Embryonen. Bislang dürfen bei künstlicher Befruchtung nur drei Embryonen erzeugt werden, die auch einzupflanzen sind. Für die PID braucht es mindestens sieben. Die meisten davon werden "verworfen". Was genau mit ihnen geschehen soll oder darf - ob sie vernichtet, eingefroren, zu Adoption freigegeben oder der Wissenschaft zugeführt werden -, müsste der Gesetzgeber noch regeln.



Mit der Selektion ist der Kern des Problems berührt: der Status des Embryos. Nach Auffassung von Verfassungsrechtlern wie Wolfgang Böckenförde und Christian Hillgruber besteht mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle auch rechtlich gesehen menschliches Leben - das "nicht der Verfügungsgewalt Dritter, und sei es der seiner Eltern" unterliegt, so Hillgruber. Für die Juristen steht die PID damit im Widerspruch zur Verfassung.