Johannes Paul II. kommt zur Ehre der Altäre

Selig in Rekordzeit

Es war der kürzeste Seligsprechungsprozess der neueren Kirchengeschichte. Sechs Jahre und einen Monate nach seinem Tod wird Papst Johannes Paul II. (1978-2005) am 1. Mai feierlich zur Ehre der Altäre erhoben. Sein Nachfolger Benedikt XVI. hat das kirchliche Prüfungsverfahren beschleunigt, indem er für den "geliebten Vorgänger" die Wartefrist zu Prozessbeginn von fünf Jahren auf drei Monate verkürzte. Ansonsten legten er und die zuständigen Vatikanbehörden jedoch größten Wert darauf, dass die Überprüfungen nach den strengen Normen erfolgten.

 (DR)

Schon zu Lebzeiten stand Johannes Paul II. für viele Gläubige im Ruf der Heiligkeit, erst recht in seinem Leiden und beim Tod. Bei der Totenmesse mit zwei Millionen Gläubigen forderten Spruchbänder und Sprechchöre auf dem Petersplatz "Santo subito" - eine sofortige Heiligsprechung.



Bei jener Totenmesse traf der damalige Kardinaldekan Joseph Ratzinger das Empfinden der Gläubigen, als er sagte, geliebte Papst stehe "ganz sicher jetzt bereits am Fenster des Hauses des Vaters".

Nach seiner Wahl kam Benedikt XVI. bald diesem Wunsch der Gläubigen entgegen. Zwar machte er seinen Vorgänger nicht per Akklamation heilig. Aber schon nach drei Wochen im Amt erlaubte er, das kanonische Prüfungsverfahren für Karol Wojtyla vorzeitig zu eröffnen.



Danach folgte das Verfahren aber den strengen römischen Kriterien und Normen, versichert man im Vatikan. Am 28. Juni 2005 begann das Verfahren mit einer Zeremonie in der römischen Lateranbasilika und wurde bis Anfang 2007 parallel auf Diözesanebene in Rom und in Krakau geführt. Nach erfolgreichem Abschluss kam es am 4. Mai 2007 vor die vatikanische Heiligsprechungskongregation. Nach gut zwei Jahren wurde die "Positio" mit dem Untersuchungsmaterial von der zuständigen Theologenkommission und im November 2009 von der Kardinalskommission angenommen. Noch im gleichen Jahr erkannte Benedikt XVI. seinem Vorgänger den heroischen Tugendgrad zu.



Der Prozess über das verlangte Wunder - die unerklärliche Heilung der an Parkinson erkrankten französischen Ordensfrau Marie Simon-Pierre Normand in der Nacht auf den 3. Juni 2005 - wurde am 21. Oktober 2010 von den zuständigen Medizinern, im Dezember darauf von den Theologen und am 11. Januar 2011 von der Kardinalskommission approbiert. Drei Tage später unterzeichnete Benedikt XVI. das Dekret. Er bestimmte den 1. Mai als Termin der Seligsprechung - die er in diesem Fall ausnahmsweise persönlich in Rom vornimmt.



Trotz Überholspur war der Prozess freilich mitunter etwas ins Stocken geraten. Die zuständigen Mediziner hatten zunächst Vorbehalte gegenüber dem vorgelegten Wunder: Für die Heilung der Ordensfrau könnte es auch natürliche Erklärungen geben, hieß es zunächst. Neue Belege mussten gesucht werden - und fanden sich. Aber auch sachliche Einwände wurden laut. Der Papst habe in seinen letzten Lebensjahren infolge von Krankheit der Kurie zu viel freien Raum gelassen.



Er habe nicht rasch und energisch genug auf Missbrauchshinweise reagiert, habe den umstrittenen Legionäre-Christi-Gründer Marcial Maciel Degollado (1920-2008) gedeckt, sei vor der Ernennung des österreichischen Kardinals Hans Herrmann Groer (1919-2003) nicht allen Hinweisen auf sexuellen Missbrauch nachgegangen. Erschwerend kamen Rechtsfragen hinzu, als der polnische Postulator Slawomir Oder aus dem laufenden Verfahren vertrauliche Inhalte in einem Buch publizierte.



Nach Klärung der offenen Fragen ist Benedikt XVI. dem Votum der Kongregation erfolgt. Das Verfahren war geringfügig kürzer als das der Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa von Kalkutta (1910-1997), die 2003 zur Ehre der Altäre gelangte. Die Verehrung im Kirchenvolk und den Ruf der Heiligkeit von Johannes Paul II. belegt unterdessen der Strom von Pilgern an seinem Grab im Petersdom. Nach der Seligsprechung kann man noch leichter am Sarg des polnischen Papstes beten: Seine letzte Ruhestätte findet er in der Basilika selbst, wenige Meter von der Pieta Michelangelos entfernt.