Moraltheologe Schallenberg bewertet hohe Zustimmung für die Grünen

"Nachhaltigkeit im Blick"

Baden-Württemberg, das einstige CDU-Stammland, bekommt voraussichtlich erstmals einen Grünen-Ministerpräsident. "Wir sind die wahren Konservativen" - so kommentierte Wahlsieger Winfried Kretschmann den hohen Zuspruch der Wähler für seine Partei. Über die Motive der Wähler und die Bewahrung der Schöpfung äußerte sich der Moraltheologe Peter Schallenberg im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Es hat sich gezeigt, dass die Grünen in Baden-Württemberg Wähler aus allen politischen Lagern angezogen haben, sogar Nichtwähler mobilisierten. Wie erklären Sie sich das?

Peter Schallenberg: Wahrscheinlich weil sie das Ohr am Volk hatten, weil sie die richtigen Themen hatten und weil sie den Eindruck vermittelten, sie sind authentisch, sie drehen sich nicht nach dem Wind, sie haben Überzeugungen.  Die Grünen vermittelten das Gefühl sowohl bei Stuttgart 21 wie auch bei dem Ausstieg der Atomenergie die zeitgemäßen Antworten zu haben. Vermutlich hat eine weitere Rolle gespielt, dass sie den Eindruck vermitteln konnten, nicht nur kurzfristige Konzepte zu verfolgen, sondern Nachhaltigkeit im Blick zu haben. Sicherlich hat auch eine verhängnisvolle Rolle das bekannte Brüderle-Zitat aus der Zusammenkunft mit dem BDI-Vorstand gespielt, was den Leuten gezeigt hat, also das sind die wahren Beweggründe der sogenannten Politiker: kurzfristig über die Bande spielen - um langfristig doch Interessen zu verfolgen, die uns jetzt verborgen bleiben.



domradio.de: Was der Wähler mit den Grünen verkörpert, ist mehr als mit anderen Parteien das Thema Glaubwürdigkeit. Jetzt stehen die Grünen vor der Aufgabe ihren Worten auch Taten folgen zu lassen und es besser zu machen als die bisherige Regierungspartei in Baden-Württemberg. Meinen Sie, die Partei kann dem hohen Vertrauensvorschuss gerecht werden?

Schallenberg: Das glaube ich schon, dass die Grünen in Baden-Württemberg diesem Vertrauensvorschuss gerecht werden können. Das gilt zunächst grundsätzlich für jede demokratisch auftretende und legitimierte Partei. Das große Verhängnis ist immer die Abspaltung von der Basis, die Enthobenheit, dass die Leute den Eindruck haben, es geht um puren Machterhalt. Wir sehen das seit vielen Jahren in der Kommunalpolitik. Freie Wählerinitiativen laufen auf weite Flächen hin den sogenannten etablierten Parteien den Rang ab. Viele kommunale Wähler haben bei freien Wählerinitiativen den Eindruck, da sind wir besser aufgehoben, weil  die großen Parteien mehr oder weniger ihre Pfründe und ihren Machterhalt im Blick haben. Das wird ein entscheidender Prüfstein und Lackmustest sein, ob man die Verbindung zur Basis hält.  



domradio.de: Ist dieser Geist, der Bewahrung der Schöpfung, der in der Wahlentscheidung sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz mitschwingt, eine Form von praktischer Frömmigkeit?

Schallenberg: Das glaube ich schon, das gehört, glaube ich, zum guten christlichen Traditionsbestand, die Bewahrung der Schöpfung, dass die Welt uns anvertraut ist, dass wir für die Welt und für die nachkommenden Generationen zu sorgen haben… dass wir die Erde für unsere Nachkommen verwalten und dass wir sie auch nochmal ganz explizit christlich gesprochen von Gott empfangen haben, dass Gott der Schöpfer ist, der uns die Welt, die Schöpfung anvertraut hat. Das würde ich sagen, hat etwas mit christlicher Frömmigkeit zu tun.