In der Elfenbeinküste reißen die Flüchtlingsströme nicht ab

Untergang in einer Flut von Krisen

Sie wollen weg - aus Elend, Not und Bürgerkrieg. In der Elfenbeinküste befinden sich derzeit Hunderttausende auf der Flucht. Nach Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen versuchen alleine knapp eine Million Menschen die Wirtschaftsmetropole Abidjan zu verlassen.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Viele Flüchtlinge haben sich bereits ins benachbarte Liberia gerettet. Doch der Strom der Heimatsuchenden reißt nicht ab. Jetzt will die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas den Druck auf die verfeindeten Gruppen um den amtierenden Präsidenten Laurent Gbagbo und seinen bei den Wahlen vom November erfolgreichen Herausforderer Alassane Ouattara erhöhen.



Die Staatschefs vom Senegal bis Nigeria haben die Nase voll. Denn in der Elfenbeinküste spitzt sich die Lage immer weiter zu. Männer, Frauen und Kinder würden ermordet, sagt der Ghanaer James Victor Gbeho, Präsident der Ecowas-Kommission. Seit Mitte Dezember sind laut Angaben der Vereinten Nationen mehr als 460 Menschen gestorben, Tendenz steigend. Denn immer häufiger kommt es zu Schusswechseln, blockieren brennende Reifen die Straßen. Deshalb fordern die Staatschefs nun die Vereinten Nationen auf, zu handeln, zur Not auch im Rahmen eines Militäreinsatzes.



Für den westafrikanischen Zusammenschluss, das hat Gbeho im Rahmen des jüngsten Treffens von Ecowas in der nigerianischen Hauptstadt Abuja betont, ist das vermutlich die letzte Lösung für den seit Dezember eskalierenden Konflikt zwischen Gbagbo und Ouattara, den die internationale Gemeinschaft zum Wahlsieger erklärte. Doch von einem glorreichen Sieg scheint der Politiker weiter entfernt denn je. Er residiert abgeschirmt in einem Hotel in Abidjan. Jeder Gang nach draußen könnte ihn das Leben kosten.



Dabei hat es in den vergangenen Monaten immer wieder Versuche gegeben, Gbagbo von einer friedlichen Übergabe der Amtsgeschäfte zu überzeugen. Afrikanische Staatschefs haben sich bisweilen die Klinke in die Hand gegeben, um zu vermitteln. Dazu gehörte sogar der simbabwische Präsident Robert Mugabe, den die Afrikanische Union mit dieser delikaten Mission betrauen wollte. Ironie der Geschichte: Inzwischen befürchten die Vereinten Nationen, dass Mugabe Gbagbo mit Waffen versorgt.



Auch Kirchenvertreter haben sich regelmäßig bemüht, zwischen den zwei Präsidenten im Land zu vermitteln. So hat beispielsweise der interreligiöse Zusammenschluss "Religionen für den Frieden" im Februar eine Delegation nach Abidjan geschickt. Eine ihrer Empfehlungen lautete, dass die katholische Bischofskonferenz und andere religiöse Institutionen eine Schlüsselrolle als Mediatoren spielen sollten.



Bislang allerdings war keines der Friedensgespräche von Erfolg gekrönt - weswegen Ecowas-Chef Gbeho einen Militäreinsatz nicht mehr ausschließen will. Aber nicht zuletzt dafür brauche man die Rückendeckung durch die Vereinten Nationen. Ob die internationale Staatengemeinschaft allerdings angesichts der vielfältigen Krisen in Nordafrika oder nach dem Beben in Japan die verfahrene Situation in der Elfenbeinküste auch noch auf die Agenda nehmen will, steht auf einem anderen Blatt.



Nichtregierungsorganisationen beklagen jedenfalls, dass der Konflikt in dem ehemaligen afrikanischen Musterstaat quasi unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit stattfindet. Laut Oxfam nimmt vor allem das Flüchtlingselend an der Grenze zu Liberia katastrophale Ausmaße an.

Allein in der vergangenen Woche habe die Organisation dort mehr als

70.000 Menschen mit Lebensmitteln und Decken versorgt.



"Trotz der besorgniserregenden Lage bekommt diese Krise nicht die Aufmerksamkeit, aber auch nicht die notwendigen finanziellen Mittel, die sie eigentlich bräuchte", so der Oxfam-Leiter in Liberia, Chals Wontewe. Aufmerksamkeit hat am Mittwoch auch mehr als 100 Frauen aus der Elfenbeinküste gefehlt. Eigens zum Auftakt des Ecowas-Treffens waren sie nach Abuja gekommen, um den Politikern die ausweglose Lage vieler Landsleute vor Augen zu führen. Wahrgenommen hat sie in dem ganzen Konferenz-Getöse wohl niemand.