Evangelische Kirche verliert bis 2040 ein Drittel ihrer Mitglieder

Austritte und fehlender Nachwuchs

Die evangelische Kirche verliert in den nächsten Jahren voraussichtlich ein Drittel ihrer Mitglieder. Das geht aus einer Prognose hervor, die die Evangelische Kirche in Deutschland
(EKD) vorgelegt hat. EKD-Finanzchef Thomas Begrich spricht im Interview über die Gründe und Folgen der Entwicklung.

 (DR)

epd: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Prognose zur Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder in 30 Jahren erstellt.

Was ist dabei herausgekommen?

Thomas Begrich: Wir erwarten, dass wir im Jahr 2040 etwa 16 Millionen Gemeindemitglieder haben werden. Diese Prognose entspricht etwa den Vorhersagen von vor sechs Jahren. Schon damals hatten wir eine ähnliche Entwicklung vorhergesehen, die jetzt noch einmal bestätigt wurde. Allerdings scheint der Trend leicht gebremst zu sein.



epd: Dennoch sinkt die Zahl der evangelischen Gemeindemitglieder voraussichtlich um rund ein Drittel und damit deutlich stärker als die Einwohnerzahl. Das Statistische Bundesamt geht von rund 74 Millionen Einwohnern im Jahr 2040 aus, ein Minus von zehn Prozent.

Woran liegt das?

Begrich: Deutschland hat eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit. Hinzu kommt ein hoher Altersdurchschnitt insbesondere in Ostdeutschland. Bei der Einwohnerzahl bremst die Zuwanderung nach Deutschland den Rückgang der Bevölkerung deutlich. Doch nur sehr wenige Zuwanderer sind Protestanten. Das Geburtendefizit schlägt also auf die Kirchenstatistik voll durch.



epd: Welchen Einfluss haben Kirchenaustritte auf die Zahl der Mitglieder?

Begrich: Wir erwarten, dass beim Rückgang um insgesamt acht Millionen Mitglieder rund zwei Millionen auf Austritte zurückzuführen sein werden. Allerdings ist die Zahl der Austritte in den vergangenen zehn Jahren stark gesunken. Wir haben inzwischen nur noch etwa halb so viele Austritte wie zu Beginn der 90er Jahre, nämlich etwa 150.000 im Jahr. Da hat sich einiges in die richtige Richtung entwickelt.



epd: Gibt es regionale Unterschiede bei der Mitgliederentwicklung?

Begrich: Wir haben ein großes West-Ost-Gefälle und ein kleineres Nord-Süd-Gefälle. Die kirchliche Bindung der Menschen in Ostdeutschland ist weitaus geringer, zudem wandern gerade junge Protestanten vermehrt aus wirtschaftlich schwachen Regionen ab.



epd: Gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land?

Begrich: Ja, in Großstädten wie Berlin und Hamburg ist der Rückgang der Mitgliederzahl deutlich stärker.



epd: Die Aussicht, binnen 30 Jahren ein Drittel der Mitglieder zu verlieren, scheint entmutigend. Was kann die evangelische Kirche tun?

Begrich: Wir müssen alles tun, um dem Rückgang entgegenzuwirken. Dazu gehört, dass wir den Reformprozess, den wir seit einigen Jahren gestartet haben, unverändert fortführen. Wir wollen unsere Arbeit so gut machen, dass die Gemeindemitglieder bei uns bleiben.



epd: Ist der Trend denn umzukehren?

Begrich: Das wird nicht gehen, denn das Hauptproblem ist die Demografie. Aber gegen Kirchenaustritte und die sinkende Zahl von Taufen können wir was tun. Wir wollen uns um die Menschen kümmern, die zur Kirche gehören. Und wir wollen auch die an uns binden, die an den Rändern der Kirche leben. Wir wollen unser Bestes tun - und zwar konstant.



epd: Der Mitgliederrückgang hat zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Kirchenfinanzen. Kann man das beziffern?

Begrich: Das ist schwer vorherzusagen. Wir wissen nicht, wie sich die wirtschaftliche Lage der Menschen und der Wert des Geldes in den nächsten Jahren entwickeln werden. Aber natürlich sind wir abhängig von den Gaben der Gemeindemitglieder, die wir im Wesentlichen über Kirchensteuer einnehmen: Werden es weniger Mitglieder, werden wir weniger Geld haben. Darauf müssen wir uns einstellen.



epd: Muss die evangelische Kirche bei knappen Kassen noch stärker auf ehrenamtliches Engagement setzen?

Begrich: Ehrenamtliche sind keine Lückenbüßer für Hauptamtliche. Aber wir sollten ehrenamtliches Engagement noch stärker fördern.



Interview: Karsten Frerichs

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