pax christi kritisiert Position der Bundesregierung im Libyen-Krieg

"Drücken vor der Verantwortung"

Noch vor den ersten Flügen französischer Jagdbomber Ende vergangener Woche warnte Johannes Schnettler bei domradio.de vor den Folgen des NATO-Militäreinsatzes. Nun kritisiert der Vizepräsident der deutschen Sektion der katholischen Friedensbewegung im Interview die Haltung Deutschlands.

 (DR)

domradio.de: Wie bewertet pax christi den Militäreinsatz in Libyen?

Schnettler: Wir halten diesen Militärschlag für falsch. Wir sehen ihn eher als militärischen Aktivismus. Dahinter steckt das steckt das schlechte Gewissen des Westens. Es ist jetzt offenbar geworden, dass über Jahrzehnte mit einem Diktator paktiert wurde, der das Volk unterdrückt hat. Und nun will man vor der Weltöffentlichkeit und den demonstrierenden Menschen in Libyen das Gesicht wahren und holt zu einem Militärschlag aus, dessen Folgen nach unserer Einschätzung verheerend sein werden, weil er das Leid der Zivilbevölkerung erhöhen wird.



domradio.de: Das heißt die Internationale Gemeinschaft schützt mit diesem Krieg die libysche Bevölkerung nicht wirklich?

Schnettler: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Bevölkerung als Schutzschild gegen das Bombardement genommen wird. Hier ist eine erhebliche Gefährdung der Bevölkerung zu sehen. Das ist eine unmittelbare Folge dieses Bombardements.



domradio.de: Wie bewerten Sie die Haltung der Bundesregierung?

Schnettler: Wir halten diese Enthaltung für ein Drücken vor der Verantwortung. Wenn Deutschland gegen diesen Einsatz ist, dann soll es das auch sagen und mit Nein stimmen. Deutschland rühmt sich immer seiner guten internationalen Beziehungen. Zu solchen guten Beziehungen gehört es auch, den Freunden und Bündnispartnern eine gegenteilige Position zu sagen und zu sagen: Nein zu diesem Krieg, lasst uns zu Mitteln der politischen Sanktionen greifen. Das ist weiterführend.



domradio.de: Gadaffi schiebt seine Angriffe auf den Westen. Wie sehr kann er da überzeugen?

Schnettler: Das wird sich zeigen. Das ist natürlich immer die Falle, in die der Westen hineintappt, dass durch den Militäreinsatz Animositäten gepflegt werden und hier wieder mit dem Finger auf den Westen gezeigt werden kann, der nur seine eigenen Interessen verfolgt. Von daher ist diese Gefahr gegeben. Wir wissen im Moment ja auch nur sehr wenig über die Menschen, die in Libyen protestieren. Wir unterstützen diesen Wunsch nach Freiheit und halten aber das Bombardement für den falschen Weg. Wir sehen eher im Verbot von Importen von Öl und in einer klugen Flüchtlingspolitik eine Lösung, den Menschen in Libyen zu helfen.



domradio.de: Heute beraten die NATO-Staaten in Brüssel das weitere Vorgehen in Libyen. Was ist das Gebot der Stunde?

Schnettler: Das Gebot der Stunde muss ein sofortiger Stopp des Bombardements sein und eine überlegte Politik hinsichtlich einer klaren Flüchtlingspolitik. Die EU ist hier gefordert. Sie muss deutlich machen, dass sie bereit ist, Menschen, die nach Europa kommen wollen, anders aufzunehmen, anders als es bis jetzt durch den Aufbau von Frontex und Abwehrmaßnahmen im Mittelmeer der Fall ist. Ich befürchte, dass die NATO-Staaten das Bombardement verstärken werden. Und in letzter Konsequenz - das ist dann die militärische Logik - auch Bodentruppen entsenden werden. Und das wäre eine Katastrophe.



Das Gespräch führte Monika Weiß.