Magdeburger stimmen über einen Wiederaufbau der Ulrichskirche ab

Die doppelte Wahl

"Dresden hat seine Frauenkirche, Potsdam bekommt seine Garnisonkirche, Magdeburg braucht seine Ulrichskirche!" Mit diesem Motto wirbt ein Verein für den Wiederaufbau des Gotteshauses, das das SED-Regime Mitte der 1950er Jahre hat sprengen lassen. Parallel zur Landtagswahl konnten die Magdeburger nun selbst über einen Wiederaufbau am ursprünglichen Standort entscheiden. Beim ersten Bürgerentscheid des Landes.

Autor/in:
Birgit Wilke
 (DR)

Vor vier Jahren schlossen sich die Befürworter in einem Verein zusammen. Ihr Ziel: Bis zum Gedenkjahr 2017 - die evangelische Kirche feiert dann den Beginn der Reformation vor 500 Jahren durch die Veröffentlichung von Martin Luthers Thesen zur Kirchenreform - soll das Gotteshaus wieder stehen. Es sei schließlich ein wichtiger Umschlagplatz für die Ideen der Reformatoren gewesen, meint Initiator Tobias Köppe. Tatsächlich wirkte dort Matthias Flavius, der sich mit Philipp Melanchthon zerstritt und seinen Gegner von der Ulrichskirche aus mit Streitschriften bekämpfte.



Der Verein misst dem Gotteshaus auch nationale Bedeutung bei. Sie sei, heißt es auf dessen Homepage, ein Symbol für die "Geburtsstunde der Deutschen". Schließlich seien Kaiser Otto der Große und der Namensgeber des Gotteshauses, Ulrich von Augsburg, eng befreundet gewesen. Wegen dieser Verbundenheit hätten die Magdeburger dem 973 verstorbenen Bischof ihre zweite Pfarrkirche gewidmet, die im 11. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde. Tobias Köppe sieht in ihr sogar ein "Schlüsselbauwerk der Weltgeschichte".



Ob das auch die mehrheitlich konfessionslosen Magdeburger so sehen, wird sich am Sonntag erweisen. Seit Monaten gibt es Veranstaltungen für und gegen den Wiederaufbau, füllen Leserbriefe von Gegnern und Befürwortern die Zeitungen. Inzwischen gründete sich sogar ein Verein, der mit durchgestrichenen Türmen auf einem Verbotsschild gegen den Wiederaufbau kämpft.



Der erste Bürgerentscheid Magdeburgs

Das Engagement dieser Gegeninitiative führt nun dazu, dass es zum ersten Bürgerentscheid Magdeburgs kommt. Sie wurde aktiv, nachdem der Stadtrat im vergangenen Jahr beschlossen hatte, das Kirchengrundstück die nächsten zehn Jahre freizuhalten. Die Frage, die den Magdeburgern nun vorliegt, lautet: "Sind Sie gegen den Wiederaufbau der Ulrichskirche?" Die Gegner des Projekts müssen also mit "Ja", die Befürworter mit "Nein" stimmen. Wenn die Gegner die Stimmenmehrheit erhalten und diese zugleich mindestens 25 Prozent der stimmberechtigten Magdeburger repräsentiert, dann ist der Stadtratsbeschluss aufgehoben.



Aber auch bei einem Sieg der Gegner wollen die Verfechter des Wiederaufbaus nicht aufgeben, sondern einen neuen Stadtratsbeschluss anstreben. 30 Millionen Euro wollen sie durch Spenden aufbringen, wie Vereinssprecherin Ellen Richter erklärte. Damit könne dann die eher "hochwertig kalkulierte Variante, Stein auf Stein" realisiert werden. Zum Vergleich: Der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche kostete 180 Millionen Euro.



Richter ist optimistisch. Spendenpotenzial sieht sie sowohl im In- als auch im Ausland. So hätten protestantische Kirchen in den USA, Kanada und Skandinavien bereits ihre Unterstützung zugesagt. Entstehen soll dann eine City-Kirche, die auch die Magdeburger Altstadtgemeinde nutzen und in der zudem Konzerte stattfinden könnten. Das katholische Bistum Magdeburg verfolgt die Debatte aufmerksam, schließt aber eine Beteiligung bislang aus.



Längst gibt es von dem außergewöhnlich gut dokumentierten Gotteshaus Animationsbilder, die zeigen, wie es sich in das Stadtbild einfügen würde. Der Bau mit romanischen und gotischen Elementen würde danach einen guten Teil des nun als Grünfläche genutzten Grundstücks einnehmen, die beiden Türme die angrenzenden Gebäude überragen. Ein Architekturstudent hat ihn inzwischen auch als 3-D-Installation rekonstruiert.