Jesuitenpater Jörg Mauz in Tokio will Japan nicht verlassen

"Panik hilft keinem"

Seit 35 Jahren lebt und arbeitet der deutsche Jesuit Jörg Mauz in der japanischen Hauptstadt Tokio. Auch nach Erdbeben, Tsunami und Nuklear-Katastrophe sagt der Pater: "Ich werde bleiben und darauf vertrauen, dass ich das Ganze mit Gottes Hilfe überstehe."

 (DR)

KNA: Pater Mauz, wie geht es Ihnen?

Mauz: Wir haben hier in Tokio keinerlei Schaden genommen.



KNA: Wie ist die Situation in Tokio heute?

Mauz: Gerade kam von der Regierung die Nachricht über einen erneuten Blackout, einen Stromausfall. Alle Studenten und Lehrer sollten schnell nach Hause gehen, da auch der Verkehr der S- und U-Bahnen eingeschränkt wird.



KNA: Heißt das, das normale Leben läuft in Tokio abgesehen von Stromausfällen weiter?

Mauz: Ja. Einige Geschäfte sind nicht mehr so voll. Aber sonst ist von Einschränkungen noch nichts zu spüren.



KNA: Wie sieht es in den Regalen der Lebensmittelgeschäfte aus? Werden Nahrungsmittel in Tokio langsam knapp?

Mauz: Ich persönlich habe davon nichts gemerkt. Es heißt nur, dass die Milch langsam ausgehen könnte.



KNA: Wie läuft der Universitätsbetrieb?

Mauz: Der ist auf ein Minimum heruntergefahren worden. Über Lautsprecherdurchsagen hat die Leitung gestern und vorgestern die Studenten gebeten, wegen der Stromausfälle und der unsicheren Lage bezüglich der Atomreaktoren zu Hause zu bleiben.



KNA: Aber man versucht trotzdem, so gut es geht Ruhe zu bewahren und den Alltag zu bewältigen.

Mauz: Ja. Die Abschlussfeiern der Studenten Ende März zum Beispiel sollen stattfinden, wenn auch in vermindertem Ausmaß. Im Süden des Landes geht alles seinen gewöhnlichen Gang.



KNA: Lässt die zunehmende Bedrohung durch Radioaktivität die Japaner nicht langsam unruhig werden?

Mauz: Die eigentlichen Probleme gibt es im Nordosten, in Sendai. Hier in Tokio hofft man, dass der Wind die radioaktive Wolke über das Meer treibt. Aber für die Japaner ist es auch sinnlos, in Panik auszubrechen. Das wird nichts ändern. Viele Auswirkungen der radioaktiven Strahlung werden sich erst später zeigen.



KNA: Das Auswärtige Amt hat den Deutschen geraten, in andere Landesteile auszuweichen oder das Land zu verlassen. Was werden Sie tun?

Mauz: Ich bin etwas altmodisch. Ich habe zwar die deutsche Staatsangehörigkeit, aber als Ordensmann gehöre ich zur japanischen Provinz. Solange mich mein Oberer nicht auffordert zu gehen, werde ich bleiben und darauf vertrauen, dass ich das Ganze mit Gottes Hilfe überstehe.



KNA: Wie ist das mit Ihren japanischen Mitbrüdern, die Freunde und Verwandte in den Katastrophengebieten haben?

Mauz: Unsere Mitbrüder verhalten sich sehr dezent. Es gibt keine Aufregung. Sie geben sich alle Mühe, ihre Arbeit weiter zu machen.



KNA: Weil das zur japanischen Mentalität gehört?

Mauz: Ja, nach außen hin zeigt man keine Gefühle.



KNA: Wie finden Sie die Informationspolitik der Regierung?

Mauz: Die Regierung stellt die Dinge so dar, dass die Leute nicht unnötig in Panik geraten. Spannend wird die Diskussion über die künftige Stromgewinnung. Denn auch hier hat es vorher Bedenken gegeben, etwa bezüglich der Lage der Kraftwerke.



KNA: Finden Sie angesichts dieser Apokalypse noch Halt im Glauben?

Mauz: Sie spielen auf das letzte Buch der Bibel an. Aber gerade die Geheime Offenbarung des Johannes beschreibt nicht nur ein Untergangsszenario, sondern ist auch als Trostbuch zu verstehen. Nichtsdestotrotz ist eine solche Katastrophe eine große Herausforderung an den Glauben. Ich kann nur dafür beten, dass die Menschen gerade in der Katastrophe wieder den Weg zu Gott finden. Das Leben endet nicht, sondern wandelt sich nur.



Das Gespräch führte Katharina Ebel.