Das Moskauer Patriarchat wirbt für eine "strategische Allianz"

Eine neue christliche Werte-Phalanx

Am Ende spendeten die fast 2.000 Kongressteilnehmer stehend Applaus. Die Idee hatte so gezündet, dass der Moderator im Anschluss sogar von einem "historischen Podium" sprach. Mit einer "strategischen Allianz" will die russisch-orthodoxe Kirche im Verbund mit den Katholiken die christliche Identität Europas bewahren, das, so Metropolit Hilarion am Wochenende in Würzburg, seine kulturellen und religiösen Wurzeln eingebüßt hat.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

er Außenamtsleiter des Moskauer Patriarchates breitete seinen Plan beim Weltkirche-Kongress des katholischen Hilfswerks "Kirche in Not" erstmals öffentlich aus - sehr zur Freude des Publikums. Wenige Tage zuvor hatte er in der russischen Hauptstadt mit dem höchsten päpstlichen Ökumenebeauftragten, Kardinal Kurt Koch, das Vorhaben erörtert, der ebenfalls nach Würzburg gekommen war.



Beide verlasen zunächst im Kommunique-Stil gehaltene vorbereitete Stellungnahmen. Hilarion erklärte, es gelte, für die Partnerschaft die Bedeutung traditioneller Vorstellungen von Ehe und Familie sowie den Wert des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis bis zum Tod im gesellschaftlichen Bewusstsein zu festigen. In der säkularen Welt seien diese Begriffe einer radikalen Umdeutung ausgesetzt. Zudem müsse man der zunehmenden Diskriminierung und Verfolgung von Christen gemeinsam entgegensteuern.



In seinem kulturkämpferischen Plädoyer stellte der Moskauer Metropolit alte Streitpunkte zwischen seiner Kirche und Rom völlig

zurück: von der Rolle des Papstes über das Problem der mit Rom unierten Ostkirchen bis zum nach wie vor schwelenden Vorwurf der katholischen Abwerbung orthodoxer Gläubigen. "Orthodoxe und Katholiken sollten heute einander nicht als Rivalen betrachten, sondern als Verbündete zum Schutz des Christentums", schloss er seine Ausführungen.



Die Reaktion des Kurienkardinals auf den Anwerbeversuch fiel differenziert aus. "Strategische Allianz" klingt in westeuropäischen Ohren sehr militärisch, machte Koch einen ersten begrifflichen Vorbehalt geltend; zugleich signalisierte er aber prinzipielle Zustimmung. Es sei wie bei Eltern, die sich über die Geburt eines Kindes freuten, aber noch über den Namen diskutieren müssten.



An einer euphorischeren Unterstützung von Hilarions Vorhaben hindern Koch aber nicht zuletzt innerkatholische Differenzen. Diese haben sich etwa vor sechs Wochen im Memorandum von mehr als 200 Theologieprofessoren niedergeschlagen, in dem unter anderem Respekt vor gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften und eine Öffnung des kirchlichen Amtes für Frauen verlangt wird. Vor Journalisten machte der Kardinal später keinen Hehl aus seiner Einschätzung: Würde die katholische Kirche diese Forderungen umsetzen, wäre die Ökumene mit der Orthodoxie sofort am Ende.



Kann eine überwiegend skeptisch bis abwehrende Grundhaltung zur Moderne die Basis einer neuen ökumenischen Bewegung sein? Diese Frage stand am Ende des Tages im Raum. Traditionsbewusste Partner gäbe es auch in der anglikanischen Kirche und protestantischen Denominationen, etwa die hochkirchliche Bewegung in England oder die Evangelische Allianz in Deutschland. Auch sie hat Hilarion im Blick.



"Wir müssen uns Gedanken machen über den Prozess der Liberalisierung der christlichen Lehre, der die protestantische und auch die katholische Theologie erfasst hat", sagte der Metropolit. Die von ihm vorgeschlagene Allianz sei nötig, um das Christentum "vor Korruption und Entstellung" zu schützen. Fortschrittlich denkenden Theologen, nicht nur evangelischen, dürften bei diesen Worten die Ohren klingeln.



Es war wie ein Trost gemeint, als die deutsche "Kirche in Not"-Vorsitzende Antonia Willemsen am Ende zum Kardinal sagte, der sich um den Zusammenhalt in den eigenen Reihen sorgt: "Wenn die katholische Kirche im Ganzen so wäre wie dieses Publikum, wären Ihre Probleme wesentlich leichter."