Zweiter Band des Jesus-Buchs erscheint heute

Benedikts "großes Vermächtnis"

Das mit Spannung erwartete Jesus-Buch von Papst Benedikt XVI. kommt heute in den Buchhandel. Offiziell wird es im Vatikan präsentiert. Der zweite Teil des auf drei Bände angelegten Werks "Jesus von Nazareth" handelt von letzten Tagen in Jerusalem, der Kreuzigung und der Auferstehung Jesu. Der 83-jährige Papst gibt seine Auslegung der biblischen Berichte auch unter seinem bürgerlichen Namen Joseph Ratzinger heraus.

Papst Benedikt XVI.: Schreiben über neue Wege zum Frieden (KNA)
Papst Benedikt XVI.: Schreiben über neue Wege zum Frieden / ( KNA )

Eigentlich hatte sich Joseph Ratzinger das ganz anders vorgestellt: Nach langen Jahren in hohen kirchlichen Ämtern wollte er endlich in den Ruhestand, um sich dem Schreiben von theologischen Büchern widmen zu können. Die Wahl zum Papst machte ihm 2005 einen Strich durch die Rechnung. Seither muss er die raren freien Augenblicke nutzen, um doch noch seiner großen Leidenschaft nachgehen zu können. Am Donnerstag kommt nach mehrjähriger Arbeit das neue Werk von Benedikt XVI. in den Handel: Der zweite Band seines ambitionierten Buchprojekts über das Leben Jesu. --
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Zwar war Ratzinger auch schon als Kardinal ein viel beachteter Autor, ein neues Buch des Papstes freilich genießt außerordentliche Aufmerksamkeit: Das Werk mit dem Titel "Jesus von Nazareth. Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung" erscheint zeitgleich in acht Sprachen und in einer Gesamtauflage von mehreren Hunderttausend Exemplaren. Weitere Übersetzungen sind in Arbeit. --
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Für die deutsche Erstauflage hat der Herder-Verlag 150.000 Bücher drucken lassen. 130.000 davon haben die Buchhandlungen schon bestellt, beim Verlag spricht man daher bereits von Nachauflagen. In der Amazon.de-Bestsellerliste schaffte es das Werk schon vor Veröffentlichung bis auf Platz 15 der meistverkauften Bücher. --
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Buch über Leiden und Tod --
Es ist die Fortsetzung des 2007 veröffentlichten ersten Bands, mit dem Ratzinger aufzeigen wollte, dass es keinen Widerspruch zwischen dem Jesus der Evangelien und dem "wirklichen" Jesus gibt. Der zweite Teil konzentriert sich auf die letzten Tage des irdischen Leben von Jesus: Den Einzug in Jerusalem, das letzte Abendmahl, den Verrat durch Judas, den Prozess vor Pontius Pilatus, die Kreuzigung und die Auferstehung. --
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Der genaue Inhalt des Buchs unterliegt bis zur Veröffentlichung größtmöglicher Geheimhaltung. Das abgetippte Manuskript des Papstes holte Verleger Manuel Herder persönlich bei Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein im Vatikan ab: "So was überlässt man schließlich nicht der Post", sagte Herder kürzlich in einem Interview. Im Verlag musste jeder beteiligte Mitarbeiter eine Vertraulichkeitserklärung unterzeichnen.--
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Auch Journalisten, die das Buch vorab lesen wollten, bekamen zuerst eine Geheimhaltungsvereinbarung vorgelegt - die ihnen sogar untersagt, aus den Vorabdrucken in deutschen Zeitungen zu zitieren. Seit vergangenen Donnerstag sind in der "Zeit" und der "Bild"-Zeitung einige ausgewählte Passagen aus dem 368 Seiten starken Band zu lesen, auch in anderen Ländern erschienen Vorabdrucke.--
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Dank von Netanjahu --
Für Schlagzeilen sorgte eine Passage, in der Benedikt der These widerspricht, das jüdische Volk sei kollektiv für den Tod von Jesus Christus verantwortlich. Damit bekräftigte der Papst zwar lediglich, was bereits vom Zweiten Vatikanischen Konzil festgestellt worden war. Das Echo in der jüdischen Welt war dennoch groß. Selbst der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bedankte sich bei Benedikt XVI.--
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Offiziell vorgestellt wird das Buch am Donnerstag im Vatikan, die deutsche Ausgabe präsentiert in Frankfurt am Main der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. "Wie der erste Band verspricht auch dieses Werk eine spannende und fundierte theologische Auseinandersetzung mit der Person Jesus von Nazareth", heißt es in der Einladung der Bischofskonferenz etwas vorsichtig. --
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Deutlich enthusiastischer fällt das Urteil von Benedikts amerikanischen Verleger, Joseph Fessio, aus: Er spricht vollmundig von einem "hellen Stern" unter den Jesus-Büchern. Und der Gründer und Direktor des St. Paul Center für Biblische Theologie in Ohio, Scott Hahn, prophezeit gar, das "Jesus von Nazareth"-Projekt werde das "große Vermächtnis" von Papst Benedikt XVI. sein. Abgeschlossen ist es allerdings noch nicht: An einem dritten Band über die Kindheit Jesu arbeitet Ratzinger seit dem Sommer. Wann es erscheint, ist noch unklar.



Theologe: Neues Papstbuch bringt Impulse für Gesellschaft

Der Bochumer Theologieprofessor Thomas Söding erhofft sich vom neuen Jesus-Buch des Papstes Impulse für das gesellschaftliche Gespräch über Gott und den christlichen Glauben. Benedikt XVI. lege ein "geistliches Buch mit theologischem Hintergrund vor", das Menschen helfen solle, Jesus zu begegnen, sagte der Experte für Neues Testament am Donnerstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bochum. Dabei habe das Kirchenoberhaupt die großen theologischen Debatten nur am Rande gestreift.



Als eine zentrale Aussage des Buches bezeichnete Söding, dass Jesus jegliche Gewalt abgelehnt habe. "Vor Pilatus, bei der Geißelung und Kreuzigung wird deutlich, dass Jesus Gewalt erduldet und nicht ausübt. Damit wird die Spirale der Gewalt und des Todes durchbrochen", sagte Söding. Dadurch werde er zum Gegenbild derer, die "sich als Märtyrer ausgeben, aber Religion als Rechtfertigung für Gewalt nehmen".



Darüber hinaus weist der Papst nach Einschätzung des Theologen besonders darauf hin, dass Gott den Leidenden ganz nahe sei. "Gott ist auf Golgotha nicht nur Zuschauer. Er ist ganz nah bei seinem Sohn, der grausamem Leid unterworfen ist. Und deshalb lässt sich Gott ganz ins Leid mit hineinziehen." Im gefolterten Jesus werde zudem deutlich, dass alle leidenden Menschen ihre unveräußerliche Würde haben.



Zur Rolle des Papstes zwischen kirchlicher Autorität und Wissenschaftler sagte Söding, Benedikt XVI. wisse als herausragender Wissenschaftler selber, dass "eine faire, harte Kritik die höchste Form der Anerkennung ist". Ziel sei es, das Gespräch über zentrale Fragen des Glaubens weiterzubringen. Dabei müsse die Theologie aufpassen, dass "die Debatte offenbleibt. Es kann nicht sein, dass jemand Nachteile erleidet, weil er nicht mit dem Papst übereinstimmt". Hier sehe er weniger den Papst selber als vielmehr die Kurie gefragt.