Weihbischof bewertet PID-Stellungnahme des Ethikrates ambivalent

"Enttäuscht, aber auch positiv bewegt"

Rund eine Woche vor der Bundestagsdebatte zur Präimplantationsdiagnostik hat der Deutsche Ethikrat ein gespaltenes Votum zu dem umstrittenen Verfahren abgegeben. Im Interview mit domradio.de bedauert Ethikrat-Mitglied Weihbischof Anton Losinger die Stellungnahme - zeigt sich aber gleichzeitig auch erfreut.

Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger (KNA)
Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger / ( KNA )

Das gespaltene Urteil zu Gentests an Embryonen zeige, dass sich seit 2003 viel getan habe, erklärte der Augsburger Weihbischof am Dienstag (08.03.2011). Damals sprachen sich noch zwei Drittel der Mitglieder des damals noch "Nationalen Ethikrates" für eine PID-Zulassung aus. Grundsätzlich aber sei die Selektion von im Reagenzglas erzeugten Embryonen sei "ein massiver Verstoß gegen Buchstaben und Geist von Grundgesetz und Embryonenschutzgesetz", fügte der Bischof hinzu. Die Verwerfung eines Embryos aufgrund eines auffälligen Chromosomenbefundes verstoße gegen die Menschenwürde und das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Gleichzeitig verstoße sie gegen das im Grundgesetz festgeschriebene Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung. "Hier wird ein ethischer Dammbruch erzielt, denn der menschliche Embryo ist ein embryonaler Mensch ab dem Augenblick der Verbindung von Ei- und Samenzelle", betonte Losinger. Die PID sei mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar.



Der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, Karl Jüsten, betonte, dass die Voten eine deutliche Entwicklung der ethischen Debatte zeigten: "Haben sich 2003 noch fast zwei Drittel des Ethikrates für eine Zulassung der PID ausgesprochen, so ist es heute nur noch die Hälfte der Mitglieder, die zudem wesentlich restriktiver dieses Verfahren erlauben wollen." Zugleich warnte Jüsten davor, dass eine Zulassung der PID zu einer "grundlegenden Veränderung unseres Zusammenlebens" führen würde.



Auch Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, bedauerte am Dienstag in Bonn, dass es in dem Gremium keine klare Mehrheit gegen die Anwendung von Präimplantationsdiagnostik (PID) gegeben habe. Das gespaltene Votum zeige "immer deutlicher, wie gefährlich für den konsequenten Lebensschutz alle Aufweichungen und Differenzierungen sind".



Positiv sei zu vermerken, dass in Deutschland so intensiv wie in kaum einem anderen Land Europas um so grundlegende ethische Fragestellungen gerungen werde, so Glück. Das sei vor allem dem Engagement von Christen zuzuschreiben. Die Stellungnahme des Ethikrates zeige, dass solche grundlegenden ethischen Entscheidungen nur im Bundestag getroffen werden könnten.



Die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) sieht im Votum des Ethikrates positive Vorzeichen für eine Abstimmung über PID im Bundestag. Bemerkenswert sei, dass selbst die 13 Befürworter einer begrenzten Zulassung die Durchführung einer PID bei sogenannten spätmanifestierenden Krankheiten gesetzlich verbieten wollten, erklärte die Bundesvorsitzende Claudia Kaminski in Köln. "Damit kann sich der von Peter Hintze (CDU), Ulrike Flach (FDP) und Carola Reimann (SPD) vorgestellte Gesetzentwurf, der diese Möglichkeit zulässt, nicht auf ein unterstützendes Votum des Deutschen Ethikrats berufen."



Rat für Bundestag und die Regierung

13 Mitglieder empfehlen eine begrenzte Zulassung von Gentests an Embryonen bei künstlichen Befruchtungen, elf befürworten ein Verbot. Über die abgegebenen 24 Stimmen hinaus gab es in der am Dienstag (08.03.2011) in Berlin veröffentlichten Stellungnahme ein Sondervotum und eine Enthaltung. Das unabhängige Gremium, das den Bundestag und die Regierung berät, hat 26 Mitglieder, darunter Naturwissenschaftler, Mediziner, Juristen, Philosophen und Theologen.



Bei der Präimplantationsdiagnostik werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib gentechnisch untersucht und gegebenenfalls ausgesondert. Eine Neuregelung steht an, weil der Bundesgerichtshof im Juli 2010 das bisherige Verbot gekippt hatte.



Aus Sicht der Befürworter im Ethikrat soll die PID möglich sein, wenn ein "hohes medizinisches Risiko" vorliegt. Da sei etwa der Fall, wenn nachweislich die Vererbung einer schweren Krankheit oder Behinderung drohe. Als weitere Voraussetzung nennen die Befürworter, dass es nach einer vorgeburtlichen Untersuchung in diesem Fall zu einem Schwangerschaftsabbruch käme, wenn die Gesundheit der Frau gefährdet sei.



Die Erlaubnis für eine PID solle es nach dieser Position auch bei der Gefahr einer vererbten Chromosomenstörung geben, durch die das Kind außerhalb des Mutterleibs nicht lebensfähig wäre. Eine Selektion nach Geschlecht wird abgelehnt. Zudem soll die PID nur an ausgewählten Zentren möglich sein.



"Die PID ist offensichtlich nur ganz oder gar nicht zu haben"

Einen Katalog einzelner Behinderungen oder Krankheiten, bei denen eine PID infrage kommt, lehnen die Vertreter dieser Position ab. Eine begrenzte Zulassung unterstützen neben anderen der Vorsitzende des Ethikrates und frühere Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig sowie der langjährige Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Jürgen Schmude.



Die Gegner der PID im Ethikrat argumentieren, mit deren Zulassung würde erlaubt, menschliches Leben aufgrund unerwünschter Eigenschaften zu verwerfen. Die Schwangerschaftskonfliktregelung schließt dies aber aus. Zudem würde eine hohe Zahl "überzähliger" Embryonen entstehen, von denen niemand weiß, wie mit ihnen umzugehen wäre. Eine Begrenzung auf bestimmte Erkrankungen sei nicht einzuhalten und eine Ausweitung zu befürchten. "Die PID ist offensichtlich nur ganz oder gar nicht zu haben", heißt es in der Stellungnahme. Diese Verbotsposition unterstützen neben anderen die evangelischen Altbischöfe Wolfgang Huber und Christoph Kähler, der katholische Weihbischof Anton Losinger und der katholische Moraltheologe Eberhard Schockenhoff.



Bundestag berät am 17. März

In einem Sondervotum empfiehlt der Medizinethiker Eckhard Nagel unter anderem eine verbindliche Liste, in welchen Fällen eine PID erlaubt sein soll. Die Philosophin Weyma Lübbe enthielt sich. Anfang Februar hatten drei renommierte Wissenschafts-Akademien eine Zulassung der PID in engen Grenzen empfohlen.



Der Bundestag will am 17. März erstmals über drei Gesetzentwürfe zur PID beraten, die jeweils von parteiübergreifenden Gruppen getragen werden. Die Schlussabstimmung wird voraussichtlich im Juni oder Juli stattfinden. Eine Gruppe spricht sich für eine Zulassung in engen Grenzen aus, eine weitere für ein Verbot. Eine dritte Gruppe mit bisher erst wenigen Unterstützern will ebenfalls eine begrenzte Zulassung, schränkt den Kreis der Ausnahmen aber weiter ein.