Innenminister Friedrich belebt die Islam-Deutschland-Debatte neu

Auftakt mit Widerspruch

Für seinen Widerspruch zum Satz von Bundespräsident Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, erntet der neue Bundesinnenminister Friedrich Kritik: Der Zentralrat der Muslime in Deutschland wirft dem CSU-Politiker "Realitätsverweigerung" vor, die Opposition ein "krudes Gesellschaftsverständnis".

 (DR)

Europa habe eine "ganze Reihe von eindeutigen historischen Bezügen zum Islam und der islamischen Welt", sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, am Freitag (04.03.2011). "Niemand kann das ernsthaft leugnen", sagte er den Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe. Die Muslime seien "hierzulande eine nicht mehr wegzudenkende gesellschaftliche Gruppe. Deswegen ist die Aussage des Bundespräsidenten mehr als richtig", unterstrich Mazyek.



Friedrich hatte am Donnerstag gesagt, Wulffs Satz, der Islam gehöre zu Deutschland, lasse sich "aus der Historie nirgends belegen". Zugleich unterstrich er, Muslime in Deutschland gehörten als Bürger selbstverständlich zu diesem Land.



Friedrich, der zuvor seine Ernennungsurkunde von Bundespräsident Wulff erhalten hatte, sagte weiter, er werde das "Gesamtthema sehr, sehr ernst nehmen". Es gehe dabei um den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Dabei gehe es darum, dass "man die Dinge zusammenführt und nicht polarisiert". Der CSU-Politiker übernahm das Amt des Innenministers von Thomas de Maizière (CDU), der als Nachfolger von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ins Verteidigungsressort wechselte.



Zum Tag der Deutschen Einheit 2010 ordnete Bundespräsident Wulff den Islam in eine Reihe mit Christen- und Judentum. Im Interview mit domradio.de begrüßte der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke die Rede grundsätzlich, betonte aber gleichzeitig die christlichen Wurzeln Deutschlands. Auch der Kölner Weihbischof Heiner Koch warnt im Interview mit domradio.de vor einer Gleichsetzung von Christentum und Islam in Deutschland.



Grünen- und SPD-Kritik

Auch die Grünen kritisierten die Äußerung des Ministers.  Partei-Chef Cem Özdemir sagte, der neue Innenminister offenbare ein "krudes Gesellschaftsverständnis", wenn er Menschen muslimischen Glaubens zugestehe, Teil Deutschlands zu sein und zugleich erkläre, der Islam sei es aus historischen Gründen nicht. Es sei "zumindest zweifelhaft", ob Friedrich bereit und in der Lage sei, den Dialog über die Integration des Islam unter dem Dach des Grundgesetzes glaubwürdig fortzuführen.



Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast ergänzte, der Satz des Bundespräsidenten vom 3. Oktober vergangenen Jahres, dass der Islam zu Deutschland gehöre, habe Türen aufgestoßen in Deutschland und auch in der Türkei. Rückwärts sollte es nun nicht gehen, sagte Künast: "Das wäre schädlich für Deutschland."



Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte, Friedrich grenze den Islam aus. Wowereit erklärte, Friedrich "sollte erst einmal in seinem Amt ankommen, sich einarbeiten, die politische Realität in Deutschland anerkennen und sich dann äußern". Wenn er an seinem ersten Amtstag gleich versuche, "die Gesellschaft mit Parolen zu spalten, wird er es schwer haben als Innenminister". Den Islam auszugrenzen, führe zur Verunsicherung bei den in Deutschland lebenden Muslimen. "Er befördert so unnötig Ressentiments. Ich kann nur hoffen, dass er sich in seinem Amt weiterentwickelt", sagte Wowereit.