Wulff kritisiert unkritischen Umgang mit arabischen Regimen

Späte Einsicht?

Nach seiner Reise in die Golfstaaten Kuwait und Katar hat Bundespräsident Christian Wulff den Umgang Deutschlands mit arabischen Regimen kritisiert. "Fakt ist, dass wir in Europa, in Deutschland Systeme positiv eingeschätzt hatten, die ein kritischeres Wort verdient gehabt hätten", sagte Wulff am Dienstag.

 (DR)

Darüber hinaus sei manches Land als stabil eingeschätzt worden, "an dem wir jetzt erleben können, dass es völlig instabil geworden war, weil die Staatsführungen korrupt waren", so Wulff  im Deutschlandfunk. Es sei jedoch eine falsche Strategie, um Länder einen großen Bogen zu machen, die "nicht unseren Vorstellungen entsprechen".



Jedes Land in Nordafrika, "jedes Land in der arabischen Welt ist völlig anders zu sehen", sagte Wulff. Dies sei etwa auf Strömungen im Islam und Erfahrungen der Kolonialgeschichte zurückzuführen. "Man muss einfach sehr viel mehr erfahren über diesen Teil der Welt, weil es im europäischen Interesse liegt", sagte Wulff.



Der Emir von Katar bemühe sich um eine "Allianz der Zivilisationen" und ein friedliches Miteinander der Religionen und Kulturen. Auch in Kuwait seien ein offenes Wort und der Kontakt zur Zivilgesellschaft möglich. "Ich glaube, dass man dadurch viel mehr erreichen kann, als wenn man vom Schreibtisch aus die Situation zu beurteilen versucht", sagte Wulff.



Gaddafi hat jegliche Legitimation verloren

Inakzeptabel sei Gewalt gegen das eigene Volk: "Wenn Gewalt gegen friedliche Demonstranten angewandt wird, wenn Polizei oder Militär auf friedliebende Menschen schießen, dann müssen wir den Kontakt unterlassen", sagte der Bundespräsident. Aus diesem Grund sei er aktuell nicht nach Bahrain gereist. Dort sei nicht gewährleistet, dass friedlich für mehr Beteiligung eingetreten werden könne. Es sei auch wichtig, zu verdeutlichen, dass Libyens Machthaber Muammar al Gaddafi jegliche Legitimation verloren und einen Realitätsverlust erlitten habe. Gaddafi habe "völlig an den Interessen der Menschen vorbei regiert".



Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte unterdessen vor einem "lockeren Umgang" mit der Option einer militärischer Intervention in Libyen. "Es ist ganz schwer, hier die Linie zu definieren, ab der man einschreiten sollte", sagte Ischinger im Deutschlandfunk. Es sei aber wichtig, die Grenze nicht "fahrlässig niedrig" zu setzen. Der Westen müsse jeden Anschein vermeiden, "hier erneut in einem arabischen Land zu intervenieren, solange nicht der moralisch-humanitäre Zwang überwältigend groß ist", betonte Ischinger. Die Einschätzung der Notwendigkeit müsse zudem von der arabischen Welt, insbesondere von den Nachbarstaaten geteilt werden.



Ein politisches Ignorieren totalitärer Staaten sei nicht möglich, sagte Ischinger. "Wir müssen natürlich mit Regimen zusammenarbeiten in vielen Teilen der Welt, mit denen man am liebsten nichts zu tun haben wollte." Wolle man die Zusammenarbeit mit Diktaturen und Staaten vermeiden, die Menschenrechte massiv verletzten, "müssten wir die Beziehungen zu etwa der Hälfte der Welt einfrieren".