20.000 Wissenschaftler und Doktoranden werfen Merkel "Verhöhnung" vor

"Sargnagel für die Demokratie"?

In der Plagiatsaffäre gerät Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in den eigenen Reihen zunehmend unter Druck. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat laut einem Medienbericht vor SPD-Abgeordneten erklärt, die Affäre und ihre Begleitumstände seien "ein Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie". Wissenschaftler schreiben Merkel einen bösen Brief.

 (DR)

Mehr als 20.000 Doktoranden werfen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem offenen Brief eine "Verhöhnung" aller wissenschaftlichen Mitarbeiter vor. Der Brief soll der Kanzlerin am Montagvormittag im Bundeskanzleramt übergeben werden.



Guttenberg hat Teile seiner Doktorarbeit ohne Quellenangaben abgeschrieben. Daraufhin entzog ihm die Universität Bayreuth den akademischen Titel. Bisher hat der Minister alle Vorwürfe zurückgewiesen, mit Absicht betrogen zu haben. Merkel hatte unter anderem erklärt, sie sehe in Guttenberg nicht den Doktoranden, sondern den Verteidigungsminister.



Neumann setzt Guttenberg Frist zur Klärung der Vorwürfe

Der FDP-Politiker Neumann gibt dem angeschlagenen Minister noch "eine, maximal zwei Wochen Zeit", um die Täuschungsvorwürfe auszuräumen. Schaffe er dies nicht, müsse er zurücktreten.



Als erster Vertreter der schwarz-gelben Koalition äußerte Neumann auch offen "große Zweifel an Guttenbergs Erklärung, er habe lediglich den Überblick über seine Quellen verloren". Zuvor hatte bereits Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) Zweifel am politischen Überleben Guttenbergs geäußert.



Kirsch hält trotz Kritik zu Guttenberg

Laut dem Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, ist Guttenbergs Glaubwürdigkeit angekratzt. Kirsch sprach sich im ARD-"Morgenmagazin" am Montag trotz der "angekratzten Glaubwürdigkeit" Guttenbergs für den Verteidigungsminister aus. Wenn es bei den bekannten Vorwürfen bleibe, dann sei Guttenberg als Verteidigungsminister für die Bundeswehr noch tragbar, sagte Kirsch. "Es ist jetzt an der Zeit, die Dinge hier in Deutschland im Ressort des Bundesministeriums der Verteidigung umzusetzen. Darauf kommt es an", fügte der Oberst hinzu. Die "Großbaustelle Bundeswehr" müsse endlich bearbeitet werden, da vieles überfällig sei, sagte Kirsch in Bezug auf die Bundeswehr-Reform.



Die mehr als 20.000 Unterzeichner des offenen Briefes an Kanzlerin Merkel beklagen, die Behandlung der Plagiatsaffäre durch Merkel lege nahe, "dass es sich beim Erschleichen eines Doktortitels um ein Kavaliersdelikt handele", wie das "Hamburger Abendblatt" zitiert. Dadurch "leiden der Wissenschaftsstandort Deutschland und die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Land der Ideen".



Der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter hält einen dauerhaften Verbleib Guttenbergs im Amt des Verteidigungsministers für unwahrscheinlich. "Er wird sicher gehalten werden, bis die Wahlen Ende März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vorbei sind. Alles andere wäre das falsche Signal für große Teile der Unions-Anhängerschaft", sagte Falter.