Stephan Ackermann ist ein Jahr Missbrauchsbeauftragter der Bischöfe

Ein schwerer Job

Er hat einen Zusatz-Job, um den ihn wohl keiner beneidet: Seit dem 25. Februar 2010 ist Stephan Ackermann Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. In der wohl größten Krise der katholischen Kirche seit Jahrzehnten hat der der Trierer Bischof eine wichtige Aufgabe übernommen - und sie bisher souverän gelöst.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Mit der Ernennung eines Missbrauchsbeauftragten wollten die Bischöfe schon in der Anfangsphase des Skandals das klare Signal senden, dass es der Kirche beim Thema Missbrauch um Aufklärung geht und nicht ums Aussitzen.



Warum ihm die Aufgabe zufiel? "Ich war fast 15 Jahre in der Priesterausbildung tätig", berichtete der Bischof, nachdem die unter Dauerstress stehenden Amtsbrüder ihn als den damals zweitjüngsten Oberhirten bei ihrer Freiburger Frühjahrsvollversammlung mit der unangenehmen Aufgabe betraut hatten. Dazu kommt, dass sich Ackermann rascher und deutlicher als die meisten Bischöfe zu dem Skandal geäußert hatte. Und einen Führungsstil pflegt, den er selbst einmal so beschrieb: "kooperativ, strukturiert und zielorientiert".



"Nicht Ober-Ermittler, sondern Koordinator", so hat der in Mayen in der Eifel Geborene seine Aufgabe definiert. Mit dem neuen Amt verbundene Medienauftritte - etwa in Talkshows bei Maybrit Illner oder bei Reinhold Beckmann - meisterte er zunehmend klarer und offensiver. Dass es der Bischofskonferenz im Lauf des Jahres gelang, verspielte Glaubwürdigkeit durch die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals zurückzugewinnen, lag nicht zuletzt an seinem selbstkritischen und doch auch selbstbewussten, authentischen Auftreten.



Klare Worte

Ackermann fand klare Worte. Restlose Aufklärung, weil die Opfer ein Recht darauf haben. Opferschutz ist wichtiger als der Schutz der Institution Kirche. Aber kein Generalverdacht gegen Priester. Den Zölibat verteidigte er ausdrücklich und nahm ihn gegen "ungerechtfertigte Anwerfungen und populistische Argumente" in Schutz. Für die Kirche rief er eine Zeit für Gewissenserforschung, Umkehr und Bescheidenheit aus. Angesichts der immer neuen Horrormeldungen, die publik wurden, betonte er, es sei nicht die Zeit für vollmundige politische Stellungnahmen und offensive Mission.



Auf die Frage, auf welcher von zehn Stufen die katholische Kirche bei der Bewältigung des Missbrauchsskandals stehe, sagte Ackermann kürzlich in der "Frankfurter Rundschau": "Bei etwas über der Hälfte, bei 6." Innerhalb eines Jahres habe die Bischofskonferenz Missbrauchsbeauftragte ernannt, die Telefon-Hotline ins Leben gerufen, die Leitlinien für den Umgang mit den Tätern verschärft, ein Präventionskonzept verabschiedet und - als einzige betroffene Institution - ein Modell zur materiellen Anerkennung erlittenen Unrechts vorgelegt. Es fehle noch die Aufarbeitung einzelner Fälle, die wissenschaftliche Aufarbeitung und die Umsetzung des Präventionskonzepts.



Heikel ist für den Trierer Bischof die Festlegung einer konkreten Entschädigungssumme. "Ich kann verstehen, dass die Ungeduld vieler Opfer wächst und man es nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag hinausschieben will", sagt Ackermann, der auf einvernehmliche Lösungen am Runden Tisch drang, aber dafür mittlerweile wenig Chancen sieht. Auch innerkirchlich waren die Absprachen schwierig, sind die Jesuiten und die Benediktiner von Kloster Ettal doch mit eigenen Modellen nach vorn geprescht. Eine Beteiligung der Kirche an einem gemeinsamen Entschädigungsfonds, den Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gefordert hatte, lehnt Ackermann ab.



Jetzt wollen Bischöfe und Ordensobere bis Mitte März konkrete Summen nennen, wie der Missbrauchsbeauftragte kürzlich mitteilte. Zudem kündigte der Trierer Bischof einen "Bußakt" der Bischöfe an. Zur Eröffnung ihrer Frühjahrsvollversammlung in Paderborn wolle die Bischofskonferenz "ein Zeichen der Umkehr, der Besinnung und des Willens zur Erneuerung setzen".