Das Bonner Aloisiuskolleg schließt seine Missbrauchs-Untersuchung ab

Scham und Hoffnung

Jahrzehnte lang wurden Schüler an renommierten Schulen sexuell missbraucht – diese dunkle Seite der bundesdeutschen Geschichte wurde ab Anfang 2010 bekannt. Auch die des Aloisiuskollegs. Die Bonner Jesuitenschule hat nun Bilanz gezogen. Die Scham über das Vergangene ist groß – genau wie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

 (DR)

Die Untersuchungen zu Missbrauch und "schweren Grenzverletzungen" am Bonner Aloisiuskolleg sind abgeschlossen. Am Dienstag (15.02.2011) präsentierte die Kommission unter Vorsitz der Kölner Sozialrechtlerin Julia Zinsmeister nach achtmonatiger Arbeit ihren Bericht über alle bislang bekanntgewordenen Vorfälle an der renommierten Jesuitenschule. Die Untersuchung erstreckt sich über einen Zeitraum von rund sechs Jahrzehnten, beginnend mit den 1950er Jahren.



"Der Abschlussbericht setzt einen Schlussstrich unter unsere Arbeit, aber nicht unter die Aufarbeitung der Vergangenheit", sagte Zinsmeister. Die Rechtsanwältin Petra Ladenburger, die an der Untersuchung mitwirkte, betonte zugleich, dass die mit dem Bericht vorgelegten Fallzahlen nicht vergleichbar seien mit denen anderer Schulen, etwa der Odenwaldschule in Hessen oder dem Canisius-Kolleg in Berlin. Erfasst worden seien außer sexuellen Grenzverletzungen auch körperliche Misshandlungen und andere "entwürdigende Erziehungsmaßnahmen".



23 Beschuldigte

Den Angaben zufolge liegt die Zahl der Beschuldigten bei insgesamt 23, davon 18 Jesuiten und 5 Laienmitarbeiter. Aufgenommen wurden Schilderungen von 58 namentlich bekannten Personen. Ein Großteil dieser Berichte, nämlich 31, bezog sich auf den Hauptbeschuldigten, einen inzwischen verstorbenen 82-jährigen Pater, der bis vor wenigen Jahren in leitender Stellung am Kolleg tätig war. Die Mehrzahl der Beschuldigten war vor den 70er-Jahren am Aloisiuskolleg aktiv, vier Ordensangehörige und zwei Laienmitarbeiter in den 70er- bis 90er-Jahren.



Insgesamt hat die Zinsmeister-Kommission seit Beginn ihrer Tätigkeit im Sommer vergangenen Jahres Gespräche mit rund 150 Personen geführt, darunter Angehörige des Jesuitenordens sowie Mitarbeiter des Aloisiuskollegs. Der komplette Bericht, der über 200 Seiten umfasst, soll auch im Internet veröffentlicht werden.



Der Chef der Jesuiten in Deutschland, Pater Stefan Kiechle, zeigte sich bestürzt und beschämt. "Obwohl wir in den vergangenen zwölf Monaten schon viel von diesen schrecklichen Ereignissen gehört haben, ist es wieder neu erschütternd, das Leid so vieler Kinder und Jugendlicher vor Augen geführt zu bekommen." Bereits seit "einigen Jahren" habe sich die Erziehung am Aloisiuskolleg "modernisiert und professionalisiert", sagte der Provinzial. Der Bericht enthalte viele wertvolle Hinweise für die weitere Arbeit, die auch unter dem neuen Rektor, Pater Johannes Siebner, fortgesetzt werde.



Kaum Änderungen zur Zwischenbilanz

In einer eigenen Erklärung nahm auch das Aloisiuskolleg selbst Stellung zu dem Bericht und kündigte an, "selbstkritisch" mit den Ergebnissen der Untersuchung umzugehen. Im Vergleich zu der im vergangenen Jahr vorgelegten Zwischenbilanz habe sich am Ausmaß der Vorwürfe keine wesentliche Änderung ergeben. "Er ist aber detaillierter und ergänzt wichtige Empfehlungen, etwa zu den Möglichkeiten der Entschädigung Betroffener." Kritik äußerte die Schule daran, dass die Frage nach der Verantwortlichkeit von Ordensmitgliedern in Leitungspositionen, etwa auf Ebene des Provinzialats, nicht abschließend bewertet werde.



Das Aloisiuskolleg war Anfang 2010 im Zuge des Missbrauchsskandals an deutschen Jesuitenschulen in die Schlagzeilen geraten. Im Zuge des Skandals trat im Februar 2010 der damalige Rektor der Schule zurück. Im vergangenen Dezember stellte das Aloisiuskolleg als erste deutsche Jesuitenschule eigene Leitlinien gegen Missbrauch vor.