Bischöfe fordern Unterstützung für Migranten auf Lampedusa

"Im Grunde sind wir alle Flüchtlinge"

Die katholische Kirche in Deutschland ruft zu Solidarität mit den Flüchtlingen auf Lampedusa auf. Italien dürfe diese Aufgabe "nicht alleine schultern" müssen, fordert der Kölner Weihbischof Heiner Koch. Im Interview mit domradio.de mahnt das Mitglied der Migrationskonferenz der Bischofskonferenz zudem eine bessere Entwicklungspolitik an.

Weihbischof Heiner Koch (Erzbistum Köln) (KNA)
Weihbischof Heiner Koch (Erzbistum Köln) / ( KNA )

domradio.de: Worauf kommt es jetzt in Lampedusa an?

Koch: Kurzfristig geht es darum, diese Menschen humanitär aufzunehmen und zu versorgen. Das Elend auf dieser Insel und inzwischen auch in den italienischen Auffanglagern ist katastrophal. Wir sind in der EU verbunden mit Italien. Es kann nicht sein, dass ein Land, das an der Südgrenze der Europäischen Union liegt, alles alleine schultern muss. Auch wir müssen helfen, dass diese Menschen menschenwürdig untergebracht werden, dass ihnen im Moment geholfen wird, dass sie wirklich auch überleben können.



domradio.de: Das Flüchtlingsproblem ist nicht neu. Immer wieder wollen Menschen aus Afrika nach Europa - und wir ziehen die Zäune immer höher. Ist das die richtige Lösung?

Koch: Wenn wir die Grenzen öffnen, kommen wahrscheinlich Hunderttausende nach Europa - in Folge des politischen Drucks der Diktaturen, der wirtschaftlichen Verhältnisse, der Bildungsverhältnisse und der fehlenden Zukunftsperspektive für die vielen jungen Leute in ihren Heimatländern. Das würde sicher dann irgendwann auch die Möglichkeiten Europas erschöpfen. Wir müssen zunächst überlegen, welche Menschen aus Afrika wir sehr bewusst aufnehmen. Das müssen ja vor allen Dingen Menschen sein, die hier Asyl suchen, weil sie an Leib und Seele gefährdet sind. Außerdem: Eine Flüchtlingshilfe ist immer auch eine entwicklungspolitische Aufgabe. Wir müssen schauen, dass die Menschen in ihrer Heimat selber eine Situation entwickeln können - auch mit unserer Hilfe -, die es ihnen ermöglicht, guten Gewissens und voller Optimismus auch dort zu bleiben. Das betrifft Wirtschaftspolitik, das betrifft Bildungspolitik, das betrifft natürlich vor allen Dingen die demokratischen Rechte, die Freiheitsrechte nicht zuletzt auch der Frauen. Hier muss sich unsere Entwicklungspolitik natürlich viele Fragen stellen: Warum sind wir in den Ausgaben unserer Entwicklungspolitik noch immer so weit unter dem, was wir selber europa- und weltweit als Norm gesetzt haben? Natürlich stellt sich die Frage: Wie helfen wir? Wie können wir verhindern, dass Machthaber und Terroristen das Geld bekommen, das eigentlich für die Bevölkerung gedacht ist; dass es in Folge von Korruption verschwindet. Und natürlich ist es auch eine weltweite Vernetzungsaufgabe: Wie beispielsweise ziehen wir China mit ein, das sich in Afrika ja sehr stark engagiert, aber dort nicht immer das tut, was den Menschenrechten entspricht, sondern nach Bodenschätzen sucht. Eine gute Entwicklungspolitik wird langfristig den Flüchtlingsstrom nach Europa eindämmen können. Das ersetzt aber nicht die kurzfristige Hilfe, die jetzt notwendig ist, weil jetzt Menschen vor unserer Tür stehen.



domradio.de: Warum sollen sich gerade Christen für Flüchtlinge engagieren?

Koch: Als Christen wissen wir, welchen Wert jeder Mensch hat. Wir wissen, dass wir im Grunde alle Flüchtlinge sind. Ich will das jetzt nicht spiritualisieren, aber wir sind alle unterwegs. Und: Wir haben eine große Glaubenspflicht; eine Glaubenspflicht, die zeigt, wie viel uns jeder Mensch wert ist, dass wir gerade den Menschen in Not helfen. Die Gebote Jesu kennen wir, Jesus war selbst als Kind schon ein Flüchtling. Und es geht schlicht und ergreifend auch darum, dass wir auch die christliche Botschaft diesen Menschen nahe bringen, die wissen, dass wir ein christlich geprägtes Europa sind. Wie stehen wir als Christen zu dieser Not? Es gab zu viele Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts, wo wir als Christen versagt haben. Das darf uns auch als Glaubenszeugnis nicht wieder passieren. Das ist auch eine ganz besondere Herausforderung für uns als Christen - auch für unsere Hilfswerke: dass wir dort, wo jetzt die Not groß ist, auch parat stehen.  



Das Gespräch führte domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.