Rösler will pflegende Angehörige entlasten

"Schritt in richtige Richtung"

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler will pflegende Angehörige stärker unterstützen. Nach einem Pflegegipfel in Berlin sagte er, Ziel sei es, die Pflege in Deutschland menschenwürdiger zu gestalten. VdK-Vizegeschäftsführer Jens Kaffenberger sprach im Interview mit domradio.de von einem "ersten Schritt in die richtige Richtung".

 (DR)

Nach weiteren Gesprächsrunden zu unterschiedlichen Fragen der Pflege will Rösler bis Mitte des Jahres eine Pflegereform auf den Weg bringen. Der Minister hatte 2011 zum "Jahr der Pflege" ausgerufen.  Pflegende Angehörig müssten zeitlich, organisatorisch, seelisch und finanziell entlastet werden. Das solle etwa durch gemeinsame Kuren von Pflegenden mit ihren Angehörigen nach dem Vorbild der Mutter-Kind-Kuren geschehen. Auch sollten die Pflegezeiten von Angehörigen bei der Rente stärker berücksichtigt werden. Außerdem sollten die gesetzlichen Krankenkassen Selbsthilfegruppen von pflegenden Angehörigen finanziell unterstützen.



Rösler mahnte nach dem Treffen mit 25 Experten und Interessenvertretern am Montag (14.02.2011) eine größere gesellschaftliche Anerkennung privater Pflegeleistungen an. Die Angehörigen seien die größten Dienstleister in der Pflege. Zu den genauen Kosten einer Pflegereform wollte sich Rösler noch nicht äußern. Es gehe zunächst darum, Eckpunkte festzulegen. Allerdings sei nicht alles, was wünschenswert ist, auch bezahlbar.



Besonders groß sei die seelische Belastung der Pflegenden, so der Minister. Hier soll es etwa Hilfe durch Notfalltelefone, Gesprächs- und Beratungsangebot geben. Bei der Organisation gehe es darum, vorhandene Angebote zusammenzuführen und nutzbar zu machen, sowie um einen Abbau von Bürokratie. Bei der Gewährung von Sachleistungen müssten die Kassen flexibler und lebensnaher entscheiden. Gerade die Kleinigkeiten seien für die Pflegenden "oft zermürbend".



2,25 Millionen Pflegebedürftige

Von den rund 2,25 Millionen Pflegebedürftigen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, werden laut Statistik rund 1,6 Millionen von Angehörigen zu Hause gepflegt. Insgesamt werden aber nach Schätzungen des Sozialverbands VdK bis zu vier Millionen hilfsbedürftige Menschen von Verwandten versorgt; nicht alle Pflegebedürftigen erhalten Leistungen der Pflegeversicherung.



VdK-Vizegeschäftsführer Jens Kaffenberger sprach nach dem Treffen von einem "ersten Schritt in die richtige Richtung". Der VdK schlug eine Anhebung und sofortige Dynamisierung des Pflegegelds "mindestens in Höhe der Inflationsrate" vor. Alle Arbeitnehmer müssten zudem Anspruch auf Pflegezeit von mindestens zwei Jahren erhalten. Langfristig führe kein Weg an einer finanziellen Leistung vergleichbar dem Elterngeld vorbei.



Claus Fussek vom Verein Integrationsförderung forderte einen "Rettungsschirm" für pflegende Angehörige. Das Thema finde im Gegensatz zu Hartz IV oder dem Stuttgarter Bahnhof nicht die angemessene Beachtung, obgleich fast jede Familie davon betroffen sei.



Entbürokratisierung der Pflege gefordert

Die Gesetzlichen Pflegekassen begrüßten Röslers Absichten. Der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer, wies auf bereits bestehende Entlastungsangebote. Es müsse aber geprüft werden, ob eine gemeinsame Rehabilitationsmaßnahme wie bei Mutter-Vater-Kind-Kuren der richtige Weg sei. Die Volkssolidarität mahnte, pflegende Angehörige dürften nicht zu Lückenbüßern für Defizite in der Pflegeversicherung gemacht werden.



Die Deutsche Hospiz Stiftung forderte eine Entbürokratisierung der Pflege. Sie beklagte, dass "es immer noch die Ärzte sein müssen, die die Rezepte für Pflegehilfsmittel ausstellen". Außerdem müssten die Angehörigen finanziell gestärkt werden. "Sie sollten auf jeden Fall 50 Prozent des Pflegegeldes behalten dürfen, selbst wenn der Pflegebedürftige von einem ambulanten Dienst versorgt wird." Zurzeit werden Pflegegeld und die Finanzierung des ambulanten Dienstes miteinander verrechnet. Die Krankenkasse KKH-Allianz verwies darauf, dass die Nachfrage nach Pflegekursen und Pflegeberatung für Angehörige in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sei.