domradio.de-Chefredakteur kommentiert die Zölibatsdebatte

Brückenbauer verzweifelt gesucht

Seit nunmehr einer Woche hält die Debatte um das Theologen-Memorandum "Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch" die deutsche katholische Welt in Atem. domradio.de Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen rät in seinem Kommentar zur "leidenschaftlichen Diskussion von Angesicht zu Angesicht".

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen (DR)
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / ( DR )

Am Anfang war diesmal nicht das Wort, sondern ein Brief mehrerer christlicher Politiker, die wortgewaltig beteuerten, ihnen liege das "C" in ihrem Parteinamen sehr am Herzen. In großer Sorge forderten die altgedienten Christdemokraten die katholischen Bischöfe in Sachen Zölibat zur Nachbesserung auf: Viri probati - erprobte Männer stünden für die Seelsorge bereit. Ein 82-jähriger deutscher Kardinal, der es als Chef der Historikerkommission im Vatikan eigentlich am besten wissen sollte, haute dieses Schreiben den aufmüpfigen Politikern mit der Bemerkung um die Ohren, wer so etwas fordere, könne sich gleich eine andere Kirche suchen. Für diesen Ton seines Mitbruders wiederum schämte sich der Mainzer Kardinal, als langjähriger Vorsitzender der DBK selbst "Zölibats-sturmerprobt". Sein Kommentar: Die aufgeworfenen Fragen hätte man schon vor 40 Jahren nicht abschließend klären können, und so habe man jetzt den Salat. Daraufhin legten 144 katholische Theologen nach (inzwischen sind es schon über 200). Sie servierten ein "Memorandum", in dem neben dem Ende des Zölibats gleich auch noch synodale Strukturen und ein Amt für Frauen eingefordert wurden. Der Kölner Kardinal fragte sich nach dem Studium des Memorandums und dessen Stellungnahme zum Naturrecht verwundert auf offener Bühne: "Ja, wo leben diese Leute eigentlich?" Weitere Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe bezogen ebenfalls Stellung und verteidigten ihre Positionen. Andere kirchliche Verbände stellten sich dagegen ohne Wenn und Aber hinter das Memoradum der Wissenschaftler. In meiner Heimatgemeinde bekannte sich unser Dechant offen zum Zölibat und erhielt dafür nach seiner Predigt (!) Beifall. Nur ein paar Gemeinden weiter sind gut katholischen Frauen der Zölibat und die ganzen Diskussionen darum mittlerweile "total egal". Sie wollen in ihrer Kirche endlich für sich auch Amt und Würden …--
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Während unser Kirchenschiff also ein Jahr nach dem Orkan der Aufdeckung der Missbrauchsfälle stark ramponiert und zerfleddert durch das Meer der Vertrauenskrise schippert, ist die Besatzung nicht gerade ein Herz und eine Seele. Die Stimmung an Bord dürfte sich eher mit der Meuterei auf der Bounty vergleichen lassen - vorsichtig formuliert. Der Riss geht zwar noch nicht durch das Schiff - aber quer durch die ganze Mannschaft. Völlig unabhängig davon, ob die christlichen Seefahrer jung oder alt, männlich oder weiblich sind, egal ob sie in der Offiziersmesse Platz nehmen dürfen oder als Leichtmatrosen das Deck schrubben. Kein Wunder, dass so ein Schiff wenig Vertrauen findet - dass immer mehr Seeleute verzweifelt über Bord springen oder sich nicht mehr für ihr Boot in die Riemen legen.--
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Was jetzt notwendig wäre, sind Brückenbauer: Männer und Frauen, Jugendliche und Alte die aufeinander zugehen - statt sich gegenseitig ihren guten Willen und die Kirchenzugehörigkeit absprechen. Dialog haben Bischöfe und Laien schon letztes Jahr eingefordert. Jetzt muss endlich damit begonnen werden. Man wird sich nicht alleine auf den Pontifex Maximus, den obersten Brückenbauer, verlassen dürfen, auch wenn der, wenn er seine eigenen Worte als junger Professor noch mal nachliest, beste Brücken bauen könnte. Jeder einzelne Christ ist gefordert. Jeder muss jetzt aufbrechen und auf die Schwester und den Bruder im gemeinsamen Glauben zugehen. Die Apostel Petrus und Paulus können da Beispiel sein: Der eine war verheiratet (seine Schwiegermutter ist sogar in der Bibel erwähnt) - der andere war vermutlich Junggeselle - sie diskutierten leidenschaftlich von Angesicht zu Angesicht. Gemeinsam bauten sie die eine Kirche auf.--
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Ingo Brüggenjürgen--
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