Bundes-CDU und Katholiken distanzieren sich von Senioren-Union

"Kinderlärm ist Zukunftsmusik"

Die Bundes-CDU hat sich von Forderungen der Senioren-Union distanziert, Kindertagesstätten aus Wohngebieten fernzuhalten. Die zuständigen Ministerien würden die geplante Gesetzesänderung umsetzen, sagte eine Sprecherin der Partei in Berlin. Auch die Vorsitzende des Familienbundes der Katholiken, Elisabeth Bußmann, hat kein Verständnis für die kinderfeindlichen Äußerungen seitens der Senioren-Union: "Kinderlärm ist Zukunftsmusik", sagte sie domradio.de.

Autor/in:
Ralf Walter
 (DR)

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU-Seniorenorganisation, Leonhard Kuckart, hatte zuvor Kindertagesstätten als Quelle "unzumutbarer Lärmbelästigung" bezeichnet und Kindergeschrei mit dem "Hämmern eines Pressluftbohrers" verglichen. Nicht nur Kinder hätten Rechte, sondern auch ältere Menschen, erklärte Kuckart am Mittwoch in Düsseldorf. Ein Dauerpegel von 90 Dezibel, wie er häufig in Kitas anzutreffen sei, bleibe eine unzumutbare Lärmbelästigung. "Egal, ob die Quelle nun sympathisches Kindergeschrei ist oder das Hämmern eines Pressluftbohrers."



FÜr Bußmann sind solche Äußerungen völlig unverständlich. Sie glaubt, "alle Großeltern und die überwiegende Mehrheit der Senioren" würden sich davon distanzieren und "eine andere Wirklichkeit leben". Der Familienbund fordere eine schnellst mögliche Änderung des Baurechts, damit Spielpätze und Kitas ohne Einschränkungen in Wohngebieten gebauen werden könnten: "Spielende Kinder sind kein Grund zu klagen, sondern unsere Zukunft". In ihrem Wahlprogramm hatte die Union erklärt, sie wolle im Immissionsschutz- und Bauplanungsrecht gesetzlich klarstellen, dass Kinderlärm "kein Grund für Nachbarschaftsklagen gegen Kindergärten, Spielplätze und ähnliche Einrichtungen sein" dürfe.



Falls sich jemand gestört fühle, so Bußmann, müss man sich ausstauschen, denn zu einem Kinderleben gehörten z.B. laute Äußerungen der Freude. In der Alltagspraxis sehe sie aber sowieso ein überwiegend verständnisvolles Miteinander von Jung und Alt.



Dauerpegel von 90 Dezibel

Der Landesvorsitzende der Jungen Union Nordrhein-Westfalen, Sven Volmering, sagte, seine Organisation fordere "angesichts der demografischen Entwicklung mehr und nicht weniger Kinderlärm". Röttgens Vorstoß zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes werde ausdrücklich unterstützt. "Die Junge Union wird auf dem Landesparteitag der CDU NRW im März einen entsprechenden Antrag stellen", erklärte Volmering.



Schärfer formulierten es der Generalsekretär der NRW SPD, Michael Groschek, und der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft 60 Plus der NRW SPD, Gerd Kompe, in einer gemeinsamen Erklärung. "Mit ihren abwegigen Äußerungen zur geplanten Zulassung von Kindertageseinrichtungen in Wohngebieten hat sich die Senioren-Union in Nordrhein-Westfalen komplett in Abseits manövriert", hieß es.



Die Äußerungen seitens der Senioren-Union seien die Folge einer kindentwöhnten Gesellschaft, sagte Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstagsausgabe). "Vor 50 Jahren wäre so etwas nicht vorgekommen, jetzt werden die Kinder bei uns ausgegrenzt", sagte Hilgers. Dass Kindergeräusche im Gesetz mit Industrielärm gleichgesetzt werden, sei immer ein Skandal gewesen, sagte Hilgers: "Ein Miteinander gibt es nur, wenn es von gegenseitiger Wertschätzung geprägt wird, und der Vergleich des Ausdrucks der Lebensfreude spielender Kinder mit einem Presslufthammer ist keine Wertschätzung." --
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"Im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung" --
Kuckart hatte weiter krisiert, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Immissionsschutz nicht zum Zusammenhalt der Generationen beitrage. "Wir wünschen uns eine Lösung, die versöhnt und nicht spaltet", sagte der CDU-Politiker. In einem Wohnumfeld mit vielen älteren Menschen müssten die Genehmigungsbehörden auch auf die Interessen der Ruheständler Rücksicht nehmen und diese gegen die Interessen junger Familien abwägen. --
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Die Bundesregierung plant angesichts zahlreicher Klagen gegen Kindertagesstätten und Spielplätze in Wohngebieten eine Gesetzesänderung. Wie die "Bild-Zeitung" (Mittwochsausgabe) berichtet, soll im Bundes-Immissionsschutzgesetz eine Klausel verankert werden, wonach Kinderlärm "im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung" darstellt. Kitas und Spielplätze sind danach "generell zugelassen". Über die Novelle will das Bundeskabinett den Angaben zufolge kommende Woche beraten.