Kopten-Bischof zur Lage in Ägypten

"El Baradei wäre ein guter Präsident"

In Ägypten ist aus einer friedlichen Demonstration für mehr Demokratie und Menschenrechte mittlerweile ein blutiger Kampf um Macht geworden. Schon Anfang des Jahres geriet das Land in die Schlagzeilen wegen der Anschläge auf koptische Christen. Für sie ist der Wandel Chance und Gefahr zugleich, sagt Anba Damian, Bischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland.

 (DR)

KNA: Herr Bischof, wie steht es um die koptischen Christen in Ihrer Heimat?

Damian: Sie sind sehr besorgt. Anfangs haben wir uns mit den Muslimen solidarisiert und Hand in Hand auf der Straße für gemeinsame Ziele gekämpft. Das war eine sehr friedliche Demonstration für mehr Freiheit und Demokratie. Jetzt, nach der Befreiung der Gefangenen und der Zunahme terroristischer Aktivitäten, haben wir Angst vor Übergriffen. Die Kopten in Ägypten genießen keinerlei Schutz von Behörden oder Polizei. Sollten die Islamisten an die Macht kommen, kann es passieren, dass wir zum Blitzableiter der Gesellschaft werden. Im Land herrschen chaotische Zustände. Kriminelle plündern, vergewaltigen und morden. Am 30.  Januar wurden im Zuge der Unruhen 11 Kopten in der Stadt Maghaga, 200 Kilometer südlich von Kairo, ermordet und vier schwer verletzt.



KNA: Sehen Sie die Unruhen eher als Gefahr oder als Chance?

Damian: Im Augenblick ist die Situation sehr gefährlich für uns. Mit einem guten Präsidenten, wie es meiner Meinung nach Mohammed el Baradei sein würde, besteht die Hoffnung auf eine Reform des Staatssystems und der Gesetzgebung sowie auf eine höhere Lebensqualität. Ich bin kein Prophet, aber ich sehe in der Tat eine Chance für Ägypten mit El Baradei an der Spitze. Ich habe ihn persönlich kennengelernt und ich schätze ihn sehr. In meinen Augen gehört er zu den Besten, die Ägypten momentan aufzubieten hat.



KNA: Ist er der Hoffnungsträger für die Kopten in Ägypten?

Damian: Ja. Er muss sich nicht für eine Seite entscheiden oder sich gegen die Islamisten stellen. Er muss die Gemäßigten ermuntern, mit ihm zusammen zu arbeiten, um die Extremisten unter Kontrolle zu bringen. Es geht nicht darum, Menschen zu bekämpfen, aber destruktive Ideologien dürfen nicht die Oberhand gewinnen.



KNA: Hat er die nötige Unterstützung im Volk, obwohl er so lange außer Landes war?

Damian: Ich denke schon. Die Intellektuellen schätzen ihn sehr. Die einfachen Leute kennen ihn zwar nicht, aber ich sehe keine vernünftige Alternative. Ägypten hat viele Intellektuelle. Die Regierung war nur bislang so dominant, dass die Jungen keine Chance hatten, Verantwortung zu übernehmen. Jemand wie El Baradei hingegen könnte es schaffen, einen demokratischen Wind ins Land zu bringen, indem er die vorhandenen Potenziale nutzt.



KNA: Kann er es schaffen, dass Straftaten und Gewalt gegen die Kopten auch polizeilich verfolgt werden?

Damian: Er hat lange im westlichen Ausland gelebt und dort viel gelernt. Ich könnte mir vorstellen, dass er es schafft, Ägypten einen Hauch von Demokratie zu bringen und dass er dafür Sorge trägt, dass Menschenwürde und Menschenrechte gestärkt werden.



KNA: Und wenn stattdessen eine islamistische Gruppierung an die Macht kommt?

Damian: Ein extremistischer Kurs, wie ihn etwa die Muslimbruderschaft fährt, kann im 21. Jahrhundert keinen Erfolg mehr haben. Wenn die Scharia wieder wortwörtlich befolgt werden sollte, inklusive Steinigungen und Amputationen für Straftaten, werden sie ihre Anhänger verlieren.



KNA: Wie steht die junge Generation zu den Christen im Land? Ist sie liberaler?

Damian: Als Christen genießen wir unter den liberalen und gebildeten Ägyptern ein hohes Ansehen, weil wir fleißig und friedlich sind. Aber die Islamisten dulden uns nicht wegen unserer Religion.



Das Gespräch führte Katharina Ebel.