In Haiti wird der 7. Februar wieder zum Schicksalstag

Poker um Präsidentenpalast

Vor genau 25 Jahren, am 7. Februar 1986, ging mit der Flucht eben jenes Jean-Claude Duvalier das Schreckensregime des Duvalier-Clans zu Ende, in dessen Verlauf mehr als 100.000 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Vor dem Datum stehen in diesem Jahr die Zeichen erneut auf Sturm.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Jean-Claude Duvalier ist schon da. Auch Jean-Bertrand Aristide scheint auf gepackten Koffern zu sitzen. Die beiden wieder aufgetauchten Ex-Diktatoren von Haiti sorgen vor der Stichwahl um das Präsidentenamt für zusätzliche Verwirrung in dem von Naturkatastrophen und Armut gebeutelten Karibikstaat. Beim Poker um das höchste Amt im Land sind die beiden Kleptokraten allerdings nicht die einzigen, die mit gezinkten Karten spielen. Ebenfalls mit am Tisch sitzen der derzeitige Amtsinhaber Rene Preval, ein Popmusiker mit dem sprechenden Namen Michel "Sweet Micky" Martelly, sowie die Wissenschaftlerin Mirlande Manigat.



Abermals könnte der 7. Februar zum Schicksalstag in der Geschichte des Landes werden - wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen. Vor genau 25 Jahren, am 7. Februar 1986, ging mit der Flucht eben jenes Jean-Claude Duvalier das Schreckensregime des Duvalier-Clans zu Ende, in dessen Verlauf mehr als 100.000 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Ein Hauch von Neuanfang lag damals in der Luft. Doch Duvaliers Nachfolger im strahlend weißen Präsidentenpalast hatten samt und sonders eine schmutzige Weste. Allen voran der ehemalige Salesianerpater Jean-Bertrand Aristide, der ähnlich wie die Duvaliers ein Vermögen aus dem geschundenen Inselstaat herauspresste.



Zeichen erneut auf Sturm

Vor dem diesjährigen 7. Februar stehen die Zeichen erneut auf Sturm. Experten wie der haitianische Soziologe Marc Auguste warnen vor Aufständen. Der Grund: Eigentlich sollte an diesem Montag der Nachfolger von Rene Preval sein Amt antreten. Doch weil bei der Wahl am 28. November keiner der 15 Kandidaten die erforderliche Mehrheit fand, wurde eine Stichwahl notwendig. Und der Termin dafür verschob sich immer weiter nach hinten, was zu Unruhe in der politisch aufgeheizten Bevölkerung führte.



Inzwischen stehen Datum und Kandidaten fest: Am 20. März sollen die Wähler zwischen Michel Martelly und Mirlande Manigat entscheiden können. Ein dritter Bewerber, Jude Celestin, Neffe des Präsidenten, erhielt am Donnerstag einen abschlägigen Bescheid der Wahlkommission. Damit hat Preval seinen Trumpf verloren. Denn Celestin sollte ihm weiter politischen Einfluss hinter den Kulissen sichern. Wie seine Vorgänger war der öffentlich zunehmend passive Präsident an allerlei obskuren Geschäften beteiligt - und fürchtet, dafür im Fall eines Machtverlusts juristisch belangt zu werden.



Nordafrika in Haiti?

Aus diesem Grund habe der Zauderer ein letztes As aus dem Ärmel gezaubert, meint Soziologe Auguste. Preval habe bewusst die Rückkehr Duvaliers eingeleitet, so der 73-jährige Oppositionelle, der seinerseits aus einer politisch einflussreichen Familie des Landes stammt. Im Bündnis mit dem Diktator und dessen jederzeit reaktivierbarer Terrortruppe "Tontons Macoutes" erhoffe sich der Amtsinhaber, seine Schäfchen doch noch ins Trockene bringen zu können. Ein unlängst erfolgter diskreter Besuch im Nachbarland Dominikanische Republik habe dem gleichen Zweck gedient.



Zu allem Unglück kommt hinzu, dass auch Aristide offenbar noch über beträchtlichen Rückhalt verfügt - vor allem in den Armenvierteln. Eine explosive Mischung hat sich da zusammengebraut, die nach Ansicht von Auguste auch durch einen theoretisch denkbaren Rücktritt Prevals nicht an Schärfe verliert. "Dann kracht"s, weil ein Machtvakuum entsteht, das keiner seiner potenziellen Nachfolger auf die Schnelle ausfüllen kann." Trete Preval nicht zurück, dann sei ein Volksaufstand zu befürchten, "in gewisser Weise vergleichbar mit dem, was wir jetzt in Nordafrika erleben".



Ob die beiden eigentlichen Bewerber um die Nachfolge Prevals angesichts dieser Konstellation überhaupt noch einen Stich machen können, scheint höchst fraglich. Manigat gilt als eher spröde Intellektuelle ohne großen Rückhalt. Der populäre Martelly hat dagegen von Politik keine Ahnung. Wenn einer der Akteure nicht noch ein überraschendes Blatt in der Hand hält, läuft alles auf eine Fortsetzung des Dramas heraus. Eine charismatische, unbelastete Persönlichkeit, die die Karten neu mischen könnte, ist jedenfalls nicht in Sicht.