Beim Weltsozialforum geht es vor allem um Netzwerkbildung

Zusammen sind wir stark

Im Senegal treffen gerade Zehntausende Globalisierungskritiker zum Weltsozialforum zusammen. Für kirchliche Organisationen wie Misereor ein wichtiges Thema, berichtet Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon im Interview mit domradio.de: der Kampf gegen den rücksichtslosen Landraub finanzstarker Staaten in ärmeren Ländern.

 (DR)

domradio.de: Was sind denn in diesem Jahr die Themen, die auf der Agenda stehen?

Bröckelmann-Simon: Wir nutzen die Gelegenheit des Zusammenkommens vieler Menschen aus vielen Ländern zu einem Workshop, einem Arbeitstreffen von Partnern aus insgesamt 25 Ländern. Hier tauschen wir uns über das Problem des wachsenden Landhungers aus und entwickeln gemeinsam Strategien. Wir haben in den letzten Jahren das Phänomen des Landraubs ("Land Grabbing") in vielen Ländern Afrikas und Asiens festgestellt. Vor allen Dingen in Staaten, die unter Ressourcen-Knappheit leiden. Beispielsweise die Golfstaaten und Staaten, die vor einem wachsenden Problem der Nahrungsmittelversorgung der eigenen Bevölkerung stehen wie China; Staaten, die dazu übergehen großflächig Ackerland aufzukaufen, um dort Nahrungsmittel für ihren eigenen Bedarf zu produzieren und Kleinbauern zu verdrängen. Das bringt ganz viele Probleme mit sich.

domradio.de: Welche Probleme?

Bröckelmann-Simon: Nehmen wir das Beispiel Madagaskar. Dort hat es massive Probleme um einen Landverkauf durch die madagassische Regierung an chinesische Investoren gegeben. Es hat unmittelbar Konflikte auf dem Land gegeben, weil Kleinbauern, die zum Teil nur über unzureichende Besitzdokumente verfügen, um ihre Zukunft fürchten mussten. Analysten haben massive Schwierigkeiten für die zukünftige Selbstversorgung der Bevölkerung vorhergesagt. Es wird Probleme geben mit der Wasserversorgung, gerade weil es industrialisierte großflächige Landwirtschaft ist, die da praktiziert wird. Dieser Prozess ist ein weltweites Phänomen.

domradio.de: Sie haben mächtige Gegner - wie wollen Sie ihnen begegnen?

Bröckelmann-Simon: Das Beispiel Madagaskar zeigt, dass es durch die Mobilisierung der Bevölkerung gelungen ist, dass dieser Vertrag zunächst auf Eis gelegt worden ist. Das Wichtige ist, dass man die Dinge öffentlich macht, dass es eine Debatte in den Ländern gibt. Wir treffen uns hier, um den Einzelnen in ihren Ländern den Rücken zu stärken und im Zweifelsfall das Thema in den Heimatländern der Investoren öffentlich zu machen. Das Phänomen beschränkt sich nicht auf China. Es gibt auch deutsche Investitionen in Äthiopien für die Produktion von Öl für die Kosmetik- und Pharmaindustrie.

domradio.de: Das Sozialforum gibt es nun schon seit 10 Jahren. Was konnte dort bisher erreicht werden?

Bröckelmann-Simon: Man kann sicher sagen, das haben wir gerade eindrucksvoll in Ägypten und Tunesien erlebt, dass die Zivilgesellschaft in der Lage ist, sich unglaublich schnell miteinander in Kontakt zu bringen. Es gibt mittlerweile einfach das Wissen darum, dass man nicht alleine ist und dass es ähnliche Probleme an vielen Stellen der Welt oder innerhalb eines Landes gibt. Das ist eine Lehre, die man aus diesen Erfahrungen der letzten zehn Jahre gezogen hat: dass Netzwerkbildung ein ganz wichtiger Schritt ist, um den Rechten derjenigen, die an den Rand gedrängt sind, etwas mehr Raum und Geltung zu verschaffen. Insofern ist es ein ermutigendes Signal, das von diesen Treffen ausgegangen ist. Und wenn man am Sonntag den Eröffnungsmarsch gesehen hat, der sehr, sehr bunt und afrikanisch war, dann merkt man, dass hier tatsächlich auch viele Menschen gerade in Afrika ihre Hoffnung auf dieses Treffen setzen.

Das Gespräch führte Ina Rottscheidt.