Urnenprozession zur Seligsprechung des Priesters Andritzki

Von der Erniedrigung zur Erhöhung

In einer feierlichen Prozession haben rund 2.000 Christen am Samstag die Urnen von drei Priestern und NS-Gegnern zur Dresdner katholischen Kathedrale gebracht. Die Gefäße enthalten die Asche von Alojs Andritzki, Aloys Scholze und Bernhard Wensch. Die drei Geistlichen starben im Konzentrationslager Dachau, wo sie wegen ihrer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus inhaftiert waren.

Autor/in:
Markus Nowak
 (DR)

Ein gewisser Stolz ist Stephan Delan anzusehen. Der Gemeindepfarrer aus dem sächsischen Radibor steht vor der Dresdner Frauenkirche mitten unter 2.000 Menschen und hält ein großes Portrait vor sich. Darauf zu sehen ist eine alte Schwarzweißaufnahme von Alojs Andritzki, demjenigen, für den sich die Menschen am Samstag in der Innenstadt von Sachsens Landeshauptstadt versammelt haben: Sie alle nehmen an einer feierlichen Prozession teil, der Übertragung der Überreste Andritzkis und zweier weiterer Priester vom Alten Katholischen Friedhof in die Dresdner Kathedrale.



"Man kann keinen Menschen kopieren, aber man kann sich Impulse bei ihm suchen", sagt Delan und meint damit das Leben und Wirken eines der bekanntesten Söhne Radibors bei Bautzen. Der dort am 2. Juli 1914 geborene Andritzki war Zeit seines Lebens als lebensfroher und unkonventioneller Priester bekannt. Gleichzeitig galt er als Gegner der Nationalsozialisten; wegen Verstoßes gegen das "Heimtückegesetz" verurteilte ihn ein Sondergericht in Dresden 1941 zu sechs Monaten Haft. Später dann wurde er in das KZ Dachau gesteckt, wo er 1943 aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Wärter mit der Giftspritze ermordet wurde.



Als "Märtyrer des sorbischen Volkes" wird der sorbischstämmige Andritzki seit langem besonders bei Deutschlands slawischer Minderheit in Sachsens und Brandenburg verehrt. Auch Papst Benedikt XVI. erkannte den von den Nationalsozialisten ermordeten Priester kürzlich per Dekret als Glaubensvorbild an. Am 13. Juni, dem Pfingstmontag, wird er in Dresden seliggesprochen.



Ein stolzer Moment

Als Vorbereitung auf dieses Ereignis und nur wenige Tage nach seinem Todestag am 3. Februar übertrugen die Gläubigen des Bistums Dresden-Meißen seine Urne und die durch Lagerhaft umgekommenen Priester Aloys Scholze (1893-1942) und Bernhard Wensch (1908-1942) in die Kathedrale an der Elbe. Denn in welcher Urne sich Andritzkis Asche befindet, ist nicht mehr zu klären. Die Prozession zog sich von der Bestattungsstätte auf dem Friedhof zum "Ort der Erniedrigung", dem ehemalige Polizeigefängnis, wo Andritzki mehrfach verhört wurde, zum baldigen "Ort der Erhöhung", der Dresdner Kathedrale.



Ein stolzer Moment, insbesondere für die sorbischen Katholiken, wie etwa Hanka Jurosowa. Die 68-Jährige aus Bautzen steht im Dresdner Dom in ihrer obersorbischen Sonntagstracht samt schwarzer Festtagshaube, die schon ihre Mutter trug. "Es geht mir sehr nahe, dass Alojs bald seliggesprochen wird", sagt sie, während die Urne vor ihren Augen in die Gruft des Gotteshauses gebracht wird. Nicht nur, da nun erstmalig ein Sorbe zu den "zbozne", den Seligen, gezählt wird, auch habe Andritzkis Bruder, Jan, sie und ihren Gatten einst getraut, erzählt die 68-Jährige.



"Wir wollen ihn ehren und nicht vergessen"

Vor der Dresdner Kathedrale steht derweil Mercin Delan und schwenkt die sorbischen Flagge: weiß, rot, blau. "Ich will Präsenz zeigen", sagt der 32-jährige Sorbe aus Andritzkis Heimatstadt Radibor und ergänzt, die Prozession und bald die Seligsprechung könne Deutschlands einziger slawischer Minderheit ein neues Selbstbewusstsein geben. In der Kathedrale der Elbstadt wurde selten so viel obersorbisch gebetet, geflüstert und gesungen wie beim Wortgottesdienst nach der Prozession.



Der katholische Bischof von Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, sagte zu Beginn der Prozession, Andritzki habe den Menschen zeigen wollen, wie menschenverachtend die Ideologie der Nazis war. "Wir wollen ihn ehren und nicht vergessen", so der Bischof. Der evangelische Landesbischof Jochen Bohl, der ebenfalls an der Prozession teilnahm, erinnerte daran, dass "Andritzki kein politischer Aktivist war". Er habe aber gezeigt, wie wichtig der christliche Glaube beim Widerstand gewesen sei, erklärte Bohl weiter. Mit Blick auf den am kommenden Wochenende geplanten Nazi-Aufmarsch am Jahrestag der Bombardierung von Dresden 1945 warnte der Landesbischof vor Ausländerfeindlichkeit und rief zur "Wachsamkeit in unserer Umgebung" auf. Auch das gehöre dazu, wenn die Erinnerung an Andritzki wachgehalten werden solle.